518
Die wissenschaftlichen Grundlagen der Geländedarstellung.
auf eine ganz allgemeine Geltendmachung der Hauptgrundsätze ankommen kann
und daß selbst bei speziellem Entwürfen mancherlei Modifikationen zulässig sind,
ohne das Prinzip selbst in seiner Klarheit und Wahrheit zu erschüttern. Seine Ein
fachheit ist so groß, daß man es jedem unbefangenen Kinde in einer Viertelstunde
begreiflich machen kann, und seine Konstruktion ist so fest und regelrecht, daß es
jede Verbesserung und jeden soliden Anbau verträgt, ohne an seiner ursprünglichen
Zweckmäßigkeit zu verlieren.“ 1 Im Gegensatz dazu urteilte später G. Bancalari,
daß die Lehmannsche Methode „nicht sinnlich auf den weniger Vorgebildeten
wirkt“ (sic!). 1 2
Als ein feiner kritischer Kopf war sich E. v. Sydow trotz aller Anerkennung
des Lehmannschen Systems auch seiner Mängel bewußt; rückhaltlos legt er sie dar:
„Ebenso schwierig als es Lehmannschen Bergschraffen wird, in kleinen Maßstäben
die Plastik sanft geböschter und niedriger positiver Terrainformen auszudrücken,
ebenso selten glückt ihnen die Wiedergabe flacher Ausspülung der negativen Formen,
die leichte Auskehlung der Hohlformen, wie wir sie namentlich an den Mulden sehen,
welche zu beiden Seiten einer Einsattlung hinabziehen, denn nur zu leicht stoßen
die Striche so scharf gegeneinander, daß sie eher streng markierte Einknickungen
andeuten als flott ausgehöhlte Spülungen“. 3 In dieser Richtung hat die größte
Schwierigkeit eine Dolinenkarte zu überwinden. Ich selbst habe versucht, auf Grund
lage der Umgebungskarte von Triest in 1 : 14400 des k. k. Militärgeographischen
Instituts in Wien eine Dolinenlandschaft des Karstes in 1 : 20000 zu bearbeiten. 4
Auf dem Original in 1:14 400 lassen sich bei der senkrechten Beleuchtung der Dolinen-
wände die Vertiefungen von den Erhebungen außerordentlich schwer, vielfach gar
nicht unterscheiden. Ich half mir dadurch, daß ich den obern Rand und die mehr
oder minder breite Bodenfläche der Schüssel- oder trichterförmigen Vertiefungen,
die teils durch Einsturz, teils durch Erosion entstanden sind, mit einem Schicht
linienzug umgrenzte. Auf diese Weise wird einigermaßen die Anschauung von Hohl
formen, die ein Plateau blatternarbig durchsetzen, erweckt. 5
301. Die Überhaltuiig der Schraffe. j n der Praxis wich Lehmann, wie wir oben
Kti.lidn, vnn Qpr Kt.rAngan- mathematischen Basis ab, nämlich das Verhältnis der
Zwischenräume zur Strichstärke nach dem von Cosinus und Sinus versus des Ein
fallswinkels zu bestimmen. Denn nach solchem Verhältnis zu zeichnen, Avar für den
Menschen rein unmöglich, Avie auch E. v. SydoAv in einem Brief an A. Steinhäuser
1 E. v. Sydow: Drei Kartenklippen. Geokartogi’apliisclie Betrachtung. Geograph. Jahrb.,
hg. v. E. Behm. I. Gotha 1866, S. 351, 352. — Wiedergedruckt in O. Krümmel: Ausgewählte Stücke
aus d. Klassikern der Geographie. Erste Reihe. Kiel u. Leipzig 1904, S. 164, 165.
2 G. Bancalari: Studien über d. österr.-ung. Mil.-Kartographie. S.-A. Organ der militär-
wissenschaftl. Vereine. Wien 1894, S. 69.
3 E. v. Sydow: Der kartograph. Standpunkt Europas i. d. J. 1862 und 1863. P. M. 1863, S. 476.
4 M. Eckert: Die Verwitterungsformen i. d. Alpen, insbes. i. d. Kalkalpen. Z. d. D. u. Ö. A.-V.
1905, S. 31..
5 Dem Deutsch, u. Österr. Alpenverein hatte ich damals, a. a. O., S. 32, nahegelegt, die Aufnahme
eines charakteristischen Karst- bzw. Dolmengebietes zu veranlassen. Bis jetzt ist man dieser Auf
forderung noch nicht nachgekommen. Ich verkenne durchaus nicht die Schwierigkeit der Aufnahme
einer solchen Karte, die der einer Karrenkarte fast gleichkommt. Freilich muß sich der Kartograph
in dem Dolinengebiet seine Zeichnung erwandert haben; dadurch kann nur die gewünschte Anschaulich
keit des Kartenbildes gewonnen werden.