Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

J. G. Lehmann und sein System. 
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bei? Kaum. Gewiß hat er Neues hinzugebracht und das ganze Problem von einer 
ganz eigenartigen Seite aus zu beleuchten versucht, aber er hat viel zu viel hinein 
getragen, was von Haus aus nicht drinnen lag, was ihr Urheber auch gar nicht be 
absichtigte; war Lehmann doch, wie Peucker selbst anerkennt, nichts mehr und nicht 
weniger als der wenig gelehrte, nur eben mit selbständiger Auffassung begabte militär 
wissenschaftliche Autodidakt. 1 
Nachdem in Peucker die Beziehung der Lehmannschen Schraffe zum Gradnetz 
der Erde einmal aufgetaucht war, kann man sich vorstellen, daß es für ihn verlockend 
war, den Vergleich weiter auszuspinnen und ihn in das verschiedenste Licht zu setzen; 
und hat man sich erst in seine Denkweise eingelebt, erscheint vieles gar nicht so dunkel 
und unklar, wie einige Kritiker meinen. Auch habe ich nicht, wie E. Hammer 1 2 und 
auf diesen gestützt H. Haack 3 , den „Eindruck des Spiels mit Worten“ gehabt, sondern 
den der logischen konsequenten Durchführung seiner Überzeugung, d. i. seines ihm 
nun einmal eingefallenen Vergleichs und seiner kartographischen Lehrabsicht. Be 
züglich des ersten dieser letztgenannten Punkte mußte er in der Unterlassung Leh 
manns, das Bild der Böschungen zu einem exakten Böschungsbild zu ergänzen, 
einen Hauptfehler sehen, der aus dem Mangel an Schärfe in dessen Auffassung des 
eignen Darstellungssystems hervorging. Weiter führte ihn die analytische Betrachtung 
zum Gebrauche der Vertikalprojektion im Sinne der Höhendarstellung im Grundriß. 
Die „Vertikalprojektion“ faßt er im optischen Sinn auf. „Die Horizontalprojektion 
des Profils gewährt (in den Isohypsen) das Zirkelmaß, seine Vertikalprojektion das 
Augenmaß seiner Winkel. Das Augenmaß der Winkel liegt in einer andern Ebene, 
es ist völlig getrennt vom Zirkelmaß.“ 4 Hammer erblickt in der Peuckerschen Auf 
fassung eine Willkür in der Abänderung feststehender geometrischer Begriffe. Da 
gegen will ich sie lieber in die Erage kleiden: Werden sich die neuen Bezeichnungen 
Peuckers in der Kartographie einbürgern? Und mit Haack möchte ich bezweifeln, 
daß sie jemals im Gebiet der Geländedarstellung gangbare Münze werden. Aus 
drücklich will ich bemerken, daß dies den Peuckerschen Ausführungen gegenüber 
kein Vorwurf sein soll; ich weiß, daß sie aus dem Entwicklungsgänge der wissenschaft 
lichen Veröffentlichungen Peuckers heraus verstanden sein wollen. Das bringt uns 
zur Erörterung des andern oben angedeuteten Punktes. 
Von dem heiligen Ernst beseelt, der Kartographie, insbesondere der Gelände- 
darstellung ein wissenschaftliches Gebäude zu errichten (S. 3), war er der Meinung, 
dies auch äußerlich durch die Form (Wortbildung) und Schreibweise (Stil) zu doku 
mentieren, dabei vielfach außer acht lassend, daß Einfachheit und Knappheit in der 
Begel klarer und wissenschaftlicher sind als tote volltönende Worte und geschraubte 
Sätze. Wie umständlich drückt er z. B. aus, daß durch das Verhältnis von Schwarz 
zu Weiß bei der Scliraffendarstellung die Winkel der geneigten Flächen ausgedrückt 
werden sollen; Peucker schreibt: „Die durch die Nichtbenutzung der Großkreissclmitte 
zur Messung von Azimuten freigewordene Anordnung derselben verwendete Lehmann 
1 K. Peucker, a. a. 0„ S. 39 [317]. — Beim Studium der Peuckerschen Ausführungen fiel 
mir unwillkürlich der Vergleich mit verschiedenen Faustinterpreten ein. Was da alles aus Goethes 
Faust herausgeholt und wie da alles zerkleinert, zerfasert und zerzerrt wird, ist erstaunlich; wenn Goethe 
jedoch an all dieses hätte denken müssen, wäre er vor lauter Denken zu keinem Dichten gekommen. 
2 E. Hammer i. P. M. 1905. LB. 262, S. 87. 
2 H. Haack i. G. J. XXIX. 1906/07, S. 379. 
4 K. Peucker, a. a. 0., S. 75 [391].
	        
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