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Die wissenschaftlichen Grundlagen der Geländedarstellung.
weiter im Dienste der Kaumlage (der Böschungen), indem er ihre Bündel paarweise
schwarz und w r eiß auszog; er vermochte so durch das gegenseitige Machen Verhältnis
dieser trapezförmigen Elemente des absolut Dunkeln und Hellen die Schattenwerte,
also die Neigung der Kurvenflächen im Kaume mathematisch genau zu regulieren.“ 1
Gewiß klingt es ganz schön, wenn es heißt: „Indem er (Lehmann) durch seine Schraffen-
schattierung die Böschungen in denselben Vertikalebenen auszog, in denen sich ihr
Profil in der Natur selber auszieht, gab er seiner Darstellung im tiefem Sinne den
Charakter der Natürlichkeit, als es je bei bloßer Nachahmung eines natürlichen Scheins
geschehen kann“, aber immerhin erfordert der Satz ein reichliches Maß Überlegung
für die einfache Tatsache, daß die Lehmannsche Schraffe die von der Natur gegebene
Gefällslinie wiederspiegelt und die Horizontalprojektion des Böschungswinkels ist.
Wenige Jahre später hat Peucker diese Periode wissenschaftlicher Darstellung über
wunden und mehr und mehr den Boden kurzer und prägnanter und damit klarerer
Ausdrucksweise gewonnen, wie seine Abhandlung über die Höhenschichtkarten
beweist. Nicht verkannt sei, daß sich seine ältern Untersuchungen durch den herz
erfrischenden Hauch, der durch sie weht, von verwandten Arbeiten anderer Autoren
vorteilhaft auszeichnen. Aber auch seinen frühem Urteilen über Lehmann stimmen
wir gern bei. Wie treffend hat er in seiner Untersuchung über die kartographische
Darstellung der dritten Dimension Lehmanns Böschungsplastik skizziert, wobei
er zu dem Schluß kommt, daß Lehmann das erste strenge System kartographischer
Veranschaulichung oder „optischer Plastik“ geschaffen hat. 1 2
II. Die Nachfolger Lehmanns.
304. Die deutschen Nachfolger Lehmanns. jjlüfflings .Manie^ Die feine detaillierte
Schraffur und ihre Maße erfordern zu ihrer Ausführung eine gewandte Technik. Wenn
nicht der zu jener Zeit in Blüte stehende Kupferstich über manche Schwierigkeit hinweg
geholfen hätte, würden uns w r ohl heute recht wenige Karten erfreuen, die damals und
später in Lehmannscher Methode ausgeführt wurden sind. Die beste kartographische
Arbeit in Lehmannscher Art ist der von J. A. H. Oberreit 1819—1860 herausgegebene
Topographische Atlas des Königreichs Sachsen, 22 Sektionen in 1 : 57600 (s. S. 461). 3
Auf die schwere Anwendbarkeit der Lehmannschen Skala hatte Me inert als ein
erster hingewiesen. Noch mehr fiel ins Gewicht, was Chauvin 4 , E. Fischer 5 gegen
sie geltend machten, daß es nach ihr so gut wie ausgeschlossen sei, selbst bei
angenommenen richtigen Schraffentönen, die Böschungswinkel und die Höhenunter
schiede richtig abzulesen. Um diesem Mangel abzuhelfen, griff man zu Scliraffen von
verschiedener konventioneller Form. Unter Festhaltung der geometrischen Grund
lage der einzelnen Stufen wurde die Gestalt der Striche verschieden gezeichnet, als
punktierte, geschlängelte und abwechselnd dicke und dünne Striche. Mit dem Namen
des preußischen Generals von Müffling wird seit 1821 in der offiziellen Kartographie
1 K. Peucker, a. a. 0., S. 43 [321].
2 K. Peucker i. G. Z. 1901, S. 30.
3 Auch E. v. Sydow spendet diesem Kartenwerke größtes Lob im P. M. 1863, S. 476. — Mir
bereitet die Karte, von der ich einen bes. guten Originalabzug besitze, immer wieder Freude u. Genuß,
so oft ich sie nur betrachte. Die Karte dürfte in keiner öffentl. u. privat. Kartensammlung fehlen.
4 F. Chauvin, a. a. O., S. 5—15.
5 E. Fischer: Der kartograph. Standpunkt der Schweiz. München 1870. (Vortrag, gehalt. i.
einer Sitzg. des Architekten- u. Ingenieurvereins zu München, 1869.) S. 39.