Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

Böschungsschraffe und Schattenschraffe. 
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auf touristischen und schulpädagogischen Karten vielfach übertrieben, und dann 
leider auf Kosten des wissenschaftlichen Fundaments. 1 
Die schräg beleuchtete Karte hat das der senkrecht beleuchteten gegenüber 
voraus, daß der Schatten wirklich ein Teil der Lichtverhältnisse der Natur ist und 
dadurch den Schein eines konkreten Daseins erhält, dagegen existiert die senkrechte 
Beleuchtung unserer Gebirgswelt gar nicht, höchstens in den Tropen, aber da auch 
nur auf schmaler Zone. Zuletzt ist die senkrechte Beleuchtung der Böschungs- 
schraffenkarte gar keine Beleuchtung, sondern lediglich eine von militärtechnischem 
Standpunkt aus geleitete Konstruktion des Effekts senkrecht beleuchtet angenommener 
schräger Flächen nach bestimmter mathematisch fixierter Schablone, die den wirk 
lichen Beleuchtungsgesetzen, deren Skala für wenig geböschtes Gelände minimale 
Abstufungen vorsieht, nur in den gröbsten Zügen nachkommt. Trotz dieses Mangels 
kann man der Böschungsschraffe nicht vorwerfen, bloße Fiktion zu sein, welcher Vor 
wurf hinwiederum der schräg beleuchteten Karte nicht erspart bleibt, insofern die 
Lichtquelle verschieden geneigt und von verschiedener Richtung aus angenommen 
wird, und zwar meist so, wie es weniger der Natur als vielmehr der Zimmerbeleuchtung 
entspricht. Ich unterscheide der Einfachheit halber senkrechte Beleuchtung 
oder Oberlicht, im Winkel von 90° zu dieser die Seitenbeleuchtung oder Seiten 
licht und im Spielraum zwischen 0—90° die schräge oder schiefe Beleuchtung 
oder Schräglicht. 1 2 An der Hand eines Modells kann im Laboratorium die schräge 
und Seitenbeleuchtung veranschaulicht werden, niemals die senkrechte unserer Karten, 
eben weil sie keine wirkliche Beleuchtung ist. 
Nicht unerwähnt sei, daß es in ganz besondern Fällen möglich ist, der Schatten- 
schraffe auch mathematisch beizukommen, doch lohnt die darauf verwandte Mühe 
nicht, und kartographische Regeln, ähnlich wie bei der Böschungsschraffe, fest 
zulegen, ist ausgeschlossen. Ferner läßt sich aus dieser wie von den Niveaulinien 
zu jener überleiten, nicht aber umgekehrt. Die Böschungsschraffe bewahrt ihr Ver 
hältnis von Schwarz zu Weiß innerhalb paralleler Niveaulinien, ganz gleich, ob diese 
gerade oder in Kurven verlaufen; letzterer Verlauf ist Regel und in bewegtem Terrain 
bald konkav, bald konvex, welchem Wechselspiel die Schattenschraffe mit verschiedener 
Intensität nachkommt, je nach Höhe und Richtung der fiktiven Lichtquelle. 
314. Kein konsequentes Schräglicht. Ein nicht wegzudisputierender Vorzug 
der Böschungsschraffe ist, daß sie überall und jederzeit unter gleichen Voraussetzungen 
immer wieder gleichmäßig angewandt werden kann, während die Anwendung 
der Schattenschraffe, wenn sie auch in der Gesamtheit einen scheinbar regelmäßigen 
Eindruck gewährt, doch unregelmäßig geschieht. Bei streng angenommenem NW- 
Einfall der Lichtstrahlen bemerken wir z. B., daß Bergstöcke, deren beide Hänge 
in der Richtung der schrägen Lichtstrahlen liegen und also gar kein Licht bzw. keinen 
Schatten empfangen können, dennoch auf der einen Seite stark belichtet und auf 
der andern stark beschattet sind, damit die plastische Wirkung (also künstlich!) den 
andern, der Lichtquelle gegenüber günstiger liegenden Gehänge nicht gestört wird. 
So sieht derjenige, der wirklich sehen will, auf den meisten schräg belichteten Karten 
ein Sammelsurium erlogener Plastiken. Ja, um Gelände, das in schräger Beleuchtung 
weniger günstig wirkt, darzustellen, wird auf denselben Karten zur senkrechten Be 
1 Wie in § 286 ausführlicher entwickelt worden ist. 
2 Für schiefe Beleuchtung wird vielfach fälschlicherweise Seitenbeleuchtung geschrieben.
	        
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