Böschungsschraffe und Schattenschraffe.
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und wiederholt worden ist und trotzdem immer wieder vergessen wird. Verfehlt wäre es
aber, die schräge Beleuchtung einzig und allein für die Alpenkarten in Pacht zu nehmen
und der senkrecht beleuchteten Hochgebirgskarte jegliche Plastik abzusprechen;
auch A. Penck nimmt in seinen Studien zur Geländedarstellung des öftern Gelegen
heit, auf die plastische Wirkung senkrecht beleuchteter Alpenkarten hinzuweisen. 1
311). Das Verhältnis der Böschungs- und Scliattcuschraife zur Schichtlinie. Die
Schattenschraffe will das Gelände malen, geht auf einen großem Benutzerkreis aus,
die Böschungsschraffe will es zunächst bloß militärtechnisch, aber auch wissenschaft
lich erfassen, und ist in der Begel auf eine kleinere, ausgewählte Schar von Benutzern
beschränkt. Das Manko, der Wissenschaft bar zu sein, sucht die schräge Beleuchtung
durch ein Hilfsmittel, die Schichtlinie, zu ersetzen, was sie aus einem ganz andern
Gebiet entnimmt, das mit ihrem Wesen absolut nichts zu tun hat. Dagegen gehört
die Schichtlinie zum Wesen der Böschungsschraffenkarte, und ob sie darauf sichtbar
gezeichnet oder unterdrückt wird, ist in diesem Falle gleich. Weil die Schichtlinien
vorzugsweise Konstruktionselemente der Böschungsschraffe sind, war man sich am
Anfang ihrer Entstehung noch nicht darüber einig, ob man sie im Kartenbild belassen
sollte oder nicht. Für Lehmann war ihr W'eglassen klar, da sie zu seiner Zeit
der sichern Stütze durch Höhenkoten entbehrten, für die Franzosen, denen das
Wesen der Schichtlinien schon mehr aufgegangen war, war die kombinierte Manier
ein Gegenstand der Auseinandersetzung zu Anfang des 19. Jahrhunderts, als man
sich mit den Präliminarien zu der Carte de France in 1 : 80000 befaßte. Gegen sie
machte Hauptmann de Lostende geltend, daß sie unnatürlich sei, weil sie den Ein
druck erwecke, als ob das Gelände in Stufenböschungen zerlegt sei. 1 2 Ein Versuch
in der Verknüpfung beider Methoden lag bereits vor in den Karten zu Vacani’s Storia
delle Campagne e degli assedi degl’ Italiani in Ispagna dal 1808 a 1813. Die Karten
wurden zu ihrer Zeit zu hart und zu allgemein beurteilt,. 3
Noch einige Dezennien mußten vergehen, bis man zur Einsicht kam, daß die
Terraindarstellung in Schraffen mit senkrechter Beleuchtung, verbunden mit äqui
distanten Schichtlinien, das Verfahren ist, das, w 7 o immer es die Umstände erlauben
es anzuwenden, als das vorzüglichste, weil richtigste und verständlichste ist. 4 * Dieser
Meinung C. Vogels wird heute noch jeder Kartenkundige beipflichten. Daß in der
kombinierten Manier das Ideal einer Geländedarstellung zu erblicken ist, dürfte wohl
1 z. B. S. 40 u. 41 (Neue Karten u. Reliefs der Alpen), wo Penck auf die ausgezeichneten
Spezialkarten der zentralen Zillerthaler Gebirgsgruppe und der Venedigergruppe in 1:50000 zu reden
kommt. Beide Karten sind als Beilagen z. Z. d. D. u. Ö. A.-V. 1882 u. 1883 erschienen. — Hierbei
erinnere ich auch an eine ältere schöne Karte mit schwarzen Schraffen bei senkrechter Beleuchtung,
die Kantonskarte St. Gallen mit Appenzell in 1:25000, die J. M. Ziegler 1852 — 1855 in 16 Bl. herausgab.
2 Mémorial, a. a. O., IV. S. 370.
3 Mémorial, a. a. O., III. S. 440, 441. — Ein gleicher Tadel findet sich in der Bibliothèque
universelle de Genève, April 1829: „Mais nous liu (à Vacani) reprocherons d’avoir employé à la fois
dans ses plans, les courbes horizontales et les hachures pour ré presenter le terrain; il en résulte une
espèce de treillis qui produit l’effet le plus désagréable, indépendament de la confusion qu’il jettb sur
tout le dessin“. G. H. D. — Auch in Deutschland wurden diese Verquickungen verdammt, wie z. B.
auf den norwegischen Ämterkarten von Ramm und Munthe.
4 So C. Vogel bei der Besprechung der Militärtopographischen Karte der Insel Sizilien. 51 Bl.
in 1:100000. P. M. 1880, S. 233.