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Die wissenschaftlichen Grundlagen der Geländedarstellung.
schräge Beleuchtung mehr dem Franzosen liegt als die strenge, gleichsam in spanische
Stiefel geschnürte senkrechte Beleuchtung der deutschen Schule. Daß die Ansichten
der letztem schließlich den Sieg errangen, dafür waren rein militärische Gesichts
punkte maßgebend, aus Liebe zum Prinzip hat man es sicher nicht getan. Wo es
ging, wie bei den Alpensektionen, atmete man erleichtert auf, von dem streng geo
metrischen Prinzip abweichen und künstlerischen, d. h. altfranzösischen Forderungen
mehr genügen zu können.
320. Die Alpen, das günstigste Anwendungsbereich der Schattensclnafie. Die
Duf onrkarte. Die Alpen sind der geometrischen Ausdrucksweise der Böschungen
aus bereits dargelegten Gründen nicht besonders günstig, aber, wie wir wissen, sind
sie auch in dieser Beziehung zu meistern. Den alpinen Karten drang sich wie von
selbst die schiefe Beleuchtung auf. Und sehen wir die Alpenkarten der frühem Jahr
hunderte an, nehmen wir wahr, daß von dem Prinzip der schrägen Beleuchtung
weidlich Gebrauch gemacht worden war.
Nach verschiedenen Proben, die Dufour für die Beleuchtung der von ihm heraus
zugebenden Schweizer Karte herstellen ließ, entschied er sich für die schräge 1 , nach
dem er sie in Frankreich bereits in der Wirkung des Maßstabes 1 : 100000 an der
berühmten Vierblattkurte der Insel Korsika kennen und schätzen gelernt hatte
(S. 473). Analog den Lehmannschen Karten wurde bei dem Aufbau der Karte ein
Schichtliniengerippe geschaffen, das jetzt wegen der großem Anzahl von Höhen
koten leichter als zu Lehmanns Zeiten zu konstruieren war. 1 2 Der Dufourkarte waren
die Niveaukurven eben nur Hilfskonstruktionselemente, wie es in der Instruktion
für die Aufnahme selbst heißt: ,,Obschon die Kurven keinen andern Zweck haben,
als die Richtung der Schraffen anzugeben, die später gemacht werden, ist es trotz
dem nötig, viel Sorgfalt auf ihre Bestimmung zu verwenden“; und an anderer Stelle:
,,Es ist sich mehr an die Hauptformen zu halten. Man soll das, was man die Manier
nennt, den eigentlichen Charakter der Berge, zum Ausdruck zu bringen suchen. Die
kleinen, irregulären Formen, w T ie Felsen, Ravins, Brüche, Moränen sind durch Schraffen
zu bezeichnen. Die Niveaulinien dienen eigentlich nur zur Basis für die später (im
Zimmer) auszuführende Schraffierung. Man kann die Niveaulinien in großen Partien
nach dem Augenmaß ziehen.“ Ist das nicht ganz in Lehmannschem Sinne gesprochen?
Ganz wie bei Lehmann verschwinden im fertigen Kartenbild die Schichtlinien. Wir
wissen ferner, daß Dufour bewußt das Lehmannsche Prinzip senkrechter Beleuchtung
für die Darstellung des Jura und hügeliger Geländeteile an wandte. Also selbst bei
der Dufourkarte hat Lehmann mit Pate gestanden. Dufour gebraucht für die Dar
stellung des Hochgebirges die Schraffen im Sinne einer künstlerischen Farben Wirkung,
also ganz als Schattenton. Die Böschungswinkel können auf ihr kaum, zum min
desten nicht ausreichend bestimmt werden; das macht sie für militärische Zwecke
ungeeignet, was selbst von den Schweizern eingestanden wird.
In der einseitigen Beleuchtung hat Dufour seine großen Vorgänger gehabt
(s. S. 473). Mithin ist er durchaus nicht der erste, der sie für eine plastisch wirkende
Schraffenkarte gleichmäßig durchführte und, um mit A. Penck zu reden, die ein
zelnen Formentypen in das rechte Licht stellte. Darum ist es keineswegs angebracht,
1 G. H. Dufour: Instruction sur le dessin des reconnaissances militaires. Genève 1828.
2 Daß aber auch in dieser Beziehung bei der Dufourkarte noch manches mangelhaft war,
darüber vgl. S. 473, 545.