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Die wissenschaftlichen Grundlagen der Geländedarstellung.
größten Teil die Schuld an der schiefen Beleuchtung tragen, in die das topographische
Wesen vielfach gerückt wird“.
Anschließend daran möcht ich betonen, daß das, w r as in den letzten Dezennien
manchmal unter dem Aushängeschild „Touristenkarte“ angepriesen wurde, höchst
bedenklich ist; denn viele unter diesen Produkten dienen mehr der Reklame als einer
wahren Touristik. Die Bezeichnung Touristenkarte dient alsdann dazu, die Un
wissenschaftlichkeit der Karte zu verschleiern. Gewiß ist, daß die rasch anwachsende
Touristik direkt verständliche und leicht lesbare Karten verlangt, wozu Karten mit
schräger Beleuchtung und Schichtlinien hervorragend geeignet sind. 1 Hier begegnet
sich die Touristenkarte mit den Forderungen der militärischen Karte. Sorgfältig
gearbeitete Touristenkarten kleinern Maßstabs können nur ausnahmsweise auf Höhen
linien verzichten, wenn es sich um die erste schnelle Orientierung handelt, wie die
meisten Baedekerkarten. Was für Touristen am zweckmäßigsten erscheint, ist nicht
immer leicht zu entscheiden; der Deutsche und Österreichische Alpen verein und der
Schweizer Alpenklub stellen an die Kartenkenntnis ihrer Mitglieder schon erhöhte
Anforderungen; dann ist es fraglich, ob manche dieser Karten mit der Bezeichnung
Touristenkarte richtig bewertet sind. Auch in anderer Beziehung haben die Touristen
karten ihr „Wenn“ und ihr „Aber“. Soll mit der Bezeichnung Touristenkarte
auf ein allgemeines oder besonderes geistiges Niveau der Kartenbenutzer hingezielt
w r erden? Nach dem, was wir oben ausführten, scheint es nahezu der Fall zu sein.
Nun finden wir unter der Schar der Touristen alle möglichen Stufen der Bildung ver
treten, von dem der Karte kaum kundigen Laien angefangen bis hinauf zu dem
geologisch, geographisch, kartographisch wissenschaftlich durchgebildeten Gelehrten.
Doch was kümmert diesen zuletzt die sog. Touristenkarte. Wo er es haben kann,
greift er zu den Originalen der Landesaufnahme, wie in der Schweiz zur Siegfriedkarte;
und die Aufnahmesektionen sind großenteils ohne Schummerung, höchstens in senk
rechten Schraffen, wie bei der österreichischen Aufnahme 1 : 25 000. 1 2
32t». Die schräge und senkrechte Beleuchtung in Penckschcn Studien. Am Schluß
seines ausführlichen Referates über neue Alpenkarten kommt A. Penck gleichfalls
auf die schräge und senkrechte Beleuchtung zu sprechen. 3 Ganz gleich, ob man mit
ihm übereinstimmt oder nicht, gibt er bei dem von ihm befolgten eklektischen Ver
fahren, also bei geschickter Verarbeitung bekannter Tatsachen der Geländedarstellung
und dem Studium der neuen alpinen Karten verschiedene Anregungen und Erfahrungs
sätze, die, wie ich leider feststellen muß, von vielen nicht recht verstanden und deshalb
auch nicht auf die theoretische und praktische Kartographie von Einfluß geworden
sind, wie er vielleicht selbst erhofft hat. Man ließ sie in der Hauptsache links liegen.
Hier können sie nicht übergangen werden. Auf seine Ausführungen über die
1 Vgl. C. Koppe: Die neuere Entwicklg. der Landes- u. Touristenkarten. Prometheus 1898,
S. 497, 519, 536.
2 Eine köstliche Illustration zu dem oben Gesagten gibt Eug. Oberhummer in seinem Vor
trag über Hochgebirgskarten, im II. Bd. des VII. Internat. Geograph.-Kongresses, Berlin 1901, wo
es S. 97 heißt: „Beckers so überaus wirksame Karte des Kantons Glarus (infolge der schrägen Be
leuchtung der Schweizer Kartenmanier) mag ein kaum zu übertreffendes Anschauungsmittel sein,
während ich offen gestehe, daß ich bei einer Besteigung des Glärnisch lieber die Blätter des Siegfried
atlas mit mir führe.“
3 A. Penck, a. a. O., S. 68ff.