Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

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Die wissenschaftlichen Grundlagen der Geländedarstellung. 
Den gleichen Ansichten huldigte F. v. Eicht ho fen. In seinem Führer für For 
schungsreisende lesen wir 1 , nachdem er sich zunächst über die Zeichnung der Gebirge 
(Richthofen schreibt „seitliche“, wir sagen heute dafür „schräge“ Beleuchtung) aus 
gesprochen hat, „sie“ (die „schräge“ Beleuchtung) zeigt besonders im Hochgebirge 
die Verzweigungen der Kämme und Rücken mit großer Schärfe und gewährt dem 
Laien das anschaulichste Bild. Diese Methode ist zwar bei der Anfertigung von Ge- 
birgskarten der Schweiz, welche mit Recht als Meisterwerke bewundert werden, 
benutzt worden, ist aber nicht zu empfehlen, weil sie der Richtigkeit entbehrt; denn 
auf der beleuchteten Seite treten die Wechsel in der Neigung der Gehänge bis zur 
Unkenntlichkeit zurück, und auch auf der Schattenseite zeichnen sie sich nicht hin 
länglich, weil schon zu schwach geneigte Gehänge den Schattenton erhalten müssen. 
Diejenigen Methoden, welche von der senkrechten Beleuchtung ausgehen, sollten bei 
Karten, welche auf wissenschaftlichen Charakter Anspruch machen, allein angewendet 
werden.' ‘ 
Mit E.v. Drygalski will ich die Reihe der Vertreter der senkrechten Beleuchtung 
schließen, der ich aus dem In- und Ausland noch eine große Anzahl beifügen könnte, 
es jedoch unterlasse, da nirgendwo ein wirklich neuer, in die Augen springender Punkt 
der Behandlung wahrzunehmen ist. In dem Werke der deutschen Südpolarexpedition 
heißt es bei der kartographischen Darstellung des Gaußberges: „Die Böschungen 
des Berges und seiner Umgebung sind bei streng senkrecht gedachter Beleuchtung 
in Schummermanier dargestellt. Eine Darstellung unter schräger Beleuchtung der 
Gehänge verbot sich von selbst, da die Schatten dann irreführende Bilder auf den 
Stufen ergeben hätten.“ 1 2 Die plastische Wirkung dieses Einzelberges war infolge 
seiner Oberflächenbeschaffenheit nicht so leicht herauszuarbeiten, da die Eismassen 
des Gaußberges nicht in die Felsen eingelagert erscheinen, wie die Gletscher der Alpen, 
sondern aufgelagert und den gleichen Formenabstufungen unterworfen wie die Felsen 
selbst. Es wurde deshalb für die Felshänge eine das gedämpfte Graublau des Eises 
nicht aufhebende bräunliche Schummerung gewählt. 3 Beide Farbtöne sind den 
Böschungen angepaßt. Auf diese Weise macht die Böschungszeichnung ganz den 
Eindruck des Geschlossenen, Einheitlichen und Unabhängigen von dem Material, 
ob Eis oder Fels. Kaum besser und harmonischer konnte ein plastisches Kartenbild 
des Gaußberges gewonnen werden. 
Überblicken wir alles, was bedeutende Forscher und Gelehrte über den Vorzug 
der schrägen oder der senkrechten Beleuchtung gesagt haben, entscheiden sie sich 
fast ohne Ausnahme für die letztere. Da muß doch etwas in und an dieser Beleuch 
tungsart sein, was ihr ohne Widerstreit eine Bedeutung verleiht. Offenbar hängt 
dies auch damit zusammen, daß der Wissenschaftler mehr abstrakter, anzuschauen 
und zu denken vermag als der Laie und ihm die Karte eine Deduktionsquelle neuer 
Begriffe und neuer wissenschaftlicher Ergebnisse ist. So wird uns die Reihe der Ur 
teile, von den unnatürlich schräg beleuchteten Schulkarten angefangen bis hinauf 
durch alle Schattierungen hindurch zu den senkrecht beleuchteten topographischen 
1 F. v. Richthofen: Führer f. Forschungsreisende. Berlin 1886, S. 57, 58. 
2 Deutsche Südpolarexpedition 1901 — 1903. II. Heft I. E. v. Drygalski: Der Gaußberg. 
Seine Kartierung u. seine Formen. Berlin 1906. — Taf. I enthält die Karte des Gaußberges, die M. Groll 
nach den Aufnahmen von E. v. Drygalski und H. Gazert konstruiert hat. 
3 Ursprünglich eine violette Färbung, die noch besser zu dem Eisblau gepaßt hätte; a. a. O., 
S. 25.
	        
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