Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

Vom Lichteinfall im besondern. 
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Karten und den nackten Schichtlinienkarten, psychologisch und zugleich didaktisch 
und wissenschaftlich praktisch erklärbar. Es ist darum nichts Wunderbares und 
Unnatürliches, wenn der Schulmann für die untersten Stufen des Unterrichts an den 
schräg beleuchteten Karten festhält 1 , der Taktiker an der senkrecht beleuchteten 
Karte und der wissenschaftliche Geograph und Geolog, ebenso der Geodät an der 
bloßen Schichtlinienkarte; schon 1854 sagte Chauvin, daß die Geodäten bei der Hori 
zontalen jede Schattierung für überflüssig halten. 1 2 Wo es aber das Anschauung« - 
bedürfnis des Kartenbenutzers erheischt, wird man gern den Karten den Vorzug 
geben, die beide Beleuchtungsmethoden geschickt miteinander zu verbinden wissen, 
wie es durchaus von neuern Praktikern gut geheißen und befolgt wird, so von C. Vogel, 
Habenicht, Haack u. a., und vor längerer Zeit bereits von Chauvin und Ziegler. 
III. Vom Lichteinfall im besondere 
329. Der deklinable Lichteinfall. Beim Lichteinfall hat man zwei Bichtungen 
zu berücksichtigen, eine deklinable und eine inklinable. In der Hauptsache handelt 
es sich um die erstere, die im Sinne der Windrose vor sich geht. Zum Gegenstand 
eingehender Untersuchung hat sie 1890 F. Becker gemacht. 3 Er wirft zunächst die 
Frage auf, ob es denn notwendig sei, an der NW-Beleuchtung, die für unsere Gegenden 
niemals vorkommt, festzuhalten. „Wir fühlen das Störende dieses Umstandes, wenn 
wir eine Gebirgsgruppe, bei welcher wir die Nordseite als wesentlich dunkler und meist 
im Schatten liegend kennen, im Bilde als von der Sonne beschienen darstellen müssen, 
während die in Wirklichkeit so sonnige Südseite in einen grauen melancholischen 
Schatten gelegt wird.“ Der Gebrauch auf der NW-Beleuchtung hat sich auf dem 
Zeichentisch bei einseitigem, von links fallendem Licht entwickelt, wodurch die 
Zeichenfläche der günstigsten Beleuchtung ausgesetzt ist. Würden wir das Licht 
von irgendeiner Seite im Zimmer wirken lassen, überall hätte man mit Schwierigkeiten 
zu kämpfen. „Wollten wir erreichen, daß die in Wirklichkeit mehr beschatteten 
Nord Westseiten auch im Bilde in den Schatten kommen, so müßten wir das im all 
gemeinen nach N orientierte Kurvenbild umkehren. Dadurch kommen wir aber in 
einen andern Widerspruch; entweder müssen wir die Karten nicht mehr nach N orien 
tieren oder dann die nach N orientierte, aber von rechts unten beleuchtete Karte beim 
Betrachten in falsches Licht setzen.“ Es wird an die Wirkung des Positivs und Negativs 
einer photographischen Aufnahme erinnert. 
Beckers Meinung nach würde die Frage des Lichteinfalls auf natürliche Art gelöst, 
wenn wir die Karten anstatt nach N nach S orientieren, weil das zugleich das Natur 
gemäßeste sei; denn nach dem Stand der Sonne, die im nördlichen Himmel steht, 
1 Besonders bemerken möeht ich, daß mir die pädagogischen Bestrebungen dieser Art nicht 
fremd sind. Hingegen habe ich auch Lehrer kennen gelernt, die auf Reliefkarte und sogar auf die ein 
seitig beleuchtete Heimatkarte beim Unterricht verzichteten. Mit ihren Schülern haben sie sich die 
Heimatkarte erwandert und erzeichnet, und siehe da, mit einem Male war den Schülern auch das Ver 
ständnis für topographische und wissenschaftlich gehaltvollere Karten als es die üblich schräg beleuch 
teten waren, aufgegangen. Auch im geographischen Unterricht werden den Schülern viel zu viel Hilfs 
mittel, oft sinnvoll konstruierte, in die Hand gegeben; anstatt die Selbständigkeit zu fördern, wird 
nur die Denkfaulheit gestärkt. 
2 F. Chauvin, a. a. O., S. 31. 
3 F. Becker: Die schweizerische Kartographie usw. Frauenfeld 1890, S. 19—23.
	        
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