Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

Vom Lichteinfall im besondern. 
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müßten —, eine ganz falsche Vorstellung von der Höhe der Gebirge hervorgerufen; 
der Hohe Atlas z. B. würde niedriger erscheinen als die isländischen Gebirge, obwohl 
er noch einmal so hoch wie diese ist. Also ein Wechsel der Lichthöhe ist unbedingt 
auszuschließen. 
Der Zwiespalt zwischen N- und S-Belichtung macht es uns jetzt auch erklärlich, 
warum der Wissenschaftler bei seinem Studium vorzugsweise zur nackten Schicht 
linienkarte greift. Auf ihr kann ihm keine nach Effekt haschende Kunst die Natür 
lichkeit verderben, denn in der topographischen, nackten hypsometrischen Karte 
erblickt er das Endziel der reinen, von allem Persönlichen, d. h. Willkürlichen be 
freiten Darstellung der Natur. 
332. Die naturgemäße Belichtung und ihre Zukunft. Früher erschien mir die 
Brücknersche strenge Auffassung der NW-Belichtung als die einzig richtige und kon 
sequente. Auch Haack mochte von gleichen Gedanken beseelt sein, als er schrieb, 
daß „selbst Heims Philippika gegen diese Lichtquelle (von NW) ohne Wirkung zu 
bleiben scheint.“ 1 Und dennoch bin ich durch Peuckers Erörterung und Karten andern 
Sinnes geworden. Er hat einen Weg der Kartenentwicklung gezeigt, der zuletzt nicht 
bloß den Touristen, den Flugzeugführern und Luftfahrern, sondern auch den wissen 
schaftlichen Geographen befriedigen kann. Bei seinen Karten ist es nicht notwendig, 
auf eine andere als die jetzt überall eingebürgerte Orientierung zu verzichten. An 
anderer Stelle habe ich die Gründe dargelegt, die gegen eine südliche Orientierung 
sprechen (S. 227). Bei seiner farbenplastischen Darstellung ist der Schatten nur eine 
Beigabe, wenn auch manchmal eine recht unangenehme. Aber auf diesen Karten ist 
es ja ganz gleich, aus welcher Richtung der Schatten hineingemalt oder -konstruiert 
wird, und warum sollte man da nicht zu der sinn- und naturgemäßen aus S greifen ? 
Die Beleuchtung aus SW oder SO sollte man nicht so streng betonen, es genügt voll 
ständig, wenn gesagt wird, das Licht fällt von S ein, da selbst der gewissenhafteste 
Kartograph sein Objekt immer derart belichten wird, wie es ihm am wirkungsvollsten 
im Gesamtbild erscheint, d. h. er wird es harmonisch in die gesamte Gebirgsgliederung 
einpassen; denn Harmonie ist Ordnung! 
Es erscheint mir zweifellos, daß die Kartographie in spätem Jahrzehnten ein 
mal dahin steuern wird, die naturgemäße Beleuchtung für alle Karten einzu 
führen. Nicht zu verkennen ist, daß sich vorderhand große Schwierigkeiten der Ein 
führung entgegenstemmen; und eine .gewisse Schwerfälligkeit gegenüber Neuem, 
selbst wenn es besser ist, haftet auch der technischen Kartographie an. Es ist das 
Beharrungsvermögen staatlicher wie privater Einrichtungen. Freilich ist das Um 
denken leichter und schneller als das Umwandeln kartographischer Werke. Neue 
Kräfte müssen dazu erst herangezogen werden. Es haben auch einige Menschenalter 
dazu gehört, bevor die Schraffe richtig gezeichnet und richtig ins Kartenbild, besonders 
bei kleinmaßstabigen Karten, gesetzt wurde. Vielleicht werden dereinst internationale 
Vereinbarungen getroffen werden, die für Karten der Nordhalbkugel die südliche 
und für solche der Südhalbkugel die nördliche Beleuchtung vorschreiben. 
Würde man dann eine Spezialkarte aus weniger bekannten Gebieten zur Hand nehmen, 
wüßte man schon ungefähr, wo sie einzureihen ist. Das wäre eine dankbare Aufgabe 
auch für die Weltkartenkonferenzen bez. internationalen Geographenkongresse ge- 
1 H. Haack i. G. J. XXVT. Gotha 1903/04, S. 401. 
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