Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

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Die Kartographie als Wissenschaft. 
seemüller (etwa 1480—1521) war der erste, der große Wandkarten herstellte und 
sie vervielfältigen ließ, er war der erste, der eine bessere Projektion für das gesamte 
Weltbild anwandte, er war der erste, der die Ptolomäuskarten berichtigte und durch 
Portulankarten ergänzte, er war der erste, der die neuen transozeanischen Ent 
deckungen der Portugiesen und Spanier in gedruckte Karten eintrug und sie einem 
großem Publikum zugänglich machte. 1 Beinahe ebenso bedeutend war C. Yopellius, 
den man erst in neuerer Zeit wieder voll gewürdigt hat. Nicht einmal bei A. v. Hum 
boldt, 0. Peschel, S. Buge ist er genannt, obwohl schon auf der Schweizer Karte 
des Aegydius Tschudi der „herrlich tafel der gantzen weit Vopely“ rühmend ge 
dacht wird. 1 2 
Auf die kleinen führenden Geister der Waldseemüll ersehen Zeit kann hier 
nicht eingegangen werden, obwohl sie in einer Geschichte der Kartographie nicht 
vergessen werden dürfen, wie z. B. Jakob Ziegler (1470—1549) in Passau, dem neben 
andern Richtigstellungen die erste richtige kartographische Darstellung der skan 
dinavischen Halbinsel zu verdanken ist. 3 
Bei weitem der Größte am Anfang der neuzeitlichen Entwicklung ist Gerhard 
Kremer, genannt Mercator (1512—1594), über den schon ein Zeitgenosse urteilte 
„in cosmographia longe primus“. Mit sichtbarem Ruck hat er die Kartenprojektion 
in ein neues Gleis und die Darstellung des Karteninhaltes in ein neues Fahrwasser 
gelenkt. Rührt der Grundgedanke von Mercators Projektion auch nicht von ihm 
selbst her, so erscheint doch seine Weltkarte von 1569 tatsächlich wie eine „proles 
sine matre creata“ und als eine eigne Schöpfung des genialen Mannes. Mit dieser 
Karte und der Karte von Europa aus dem Jahre 1554 kann man mit gutem Recht 
die erste Reform der Kartographie beginnen lassen. 
Der unmittelbare Einfluß der deutschen Kartographen zur Renaissance- und 
Folgezeit auf die Niederländer wurde als eine feststehende Tatsache hingenommen, 
bis es Nordenskiöld gelang, noch eine eigene Zwischenstufe italienischer Karto 
graphie nachzuweisen, die sich von den vierziger Jahren des 16. Jahrhunderts ab 
entwickelte und einige Jahrzehnte ihr Übergewicht über die deutsche Kartographie 
behauptete, nicht zum geringsten verursacht durch die Schönheit und Feinheit der 
Ausführung der italienischen Karten in Kupferstich gegenüber den deutschen in ihrem 
derben Holzschnitt. Der sogenannte „Lafreri-Atlas“, eine Sammlung von Karten 
der verschiedensten Autoren und Drucker, gibt eine Vorstellung von dem Reichtum 
an trefflichen Karten Italiens zu jener Zeit. 
Im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts übernahmen die Niederländer die 
kartographische Führerschaft und behaupteten sich, trotzdem sie kaum etwas Selbst 
ständiges leisteten, bis tief ins 17. Jahrhundert hinein. Leider wurden die nieder 
ländischen Kartenwerke (Atlanten) recht kritiklos zusammengestellt. In der nieder 
1 Fr. v. Wieser: Die älteste Karte mit dem Namen „Amerika“ a. d. J. 1507 und die Carta- 
Marina a. d. J. 1516 des Martin Waldseemüller. P. M. 1901, S. 271—275. Hier finden sich auch 
Literaturangaben über Waldseemüllers Leben und Arbeiten, und wir lesen Anm. 1, S. 271, daß 
sich Nordenskiöld zu der Überzeugung von der großen Bedeutung Waldseemüllers trotz Wiesers 
Schriften noch nicht durchgerungen hat. 
2 Vgl. Michows Faksimile der Karte und ausführlichen Kommentar i. d. Mitt. der Geogr. 
Ges. in Hamburg. XIX. 1903. — W. Rüge: Die Weltkarte des Kölner Kartographen Caspar 
Vopell. In Ratzels Gedächtnisschrift. Leipzig 1904, S. 305ff. 
3 S. Günther: Jakob Ziegler, ein bayrischer Geograph und Mathematiker. Forschgn. 
zur Kultur- und Literaturgesch. Bayerns. Buch 4. Ansbach 1896.
	        
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