Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

Die historische Methode in der Kartographie. 
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ländischen Schule schleppten sich alte Übel jahrzehntelang fort. Die richtige Auf 
fassung des Weltbildes litt und andere elementare Fehler wurden durch den nieder 
ländischen Einfluß geweckt und weiter gepflegt. 1 Errante uno errant omnes. Wegen 
dieser Fehler und der geringen Förderung der Kartographie durch die Niederländer 
kommt Breusing zu dem Urteil, daß man doch endlich einmal aufhören sollte, „von 
einer holländischen Schule der Kartographie zu sprechen, die zwar Bilderbücher über 
Bilderbücher geliefert, aber nie einen eigenen Gedanken gehabt hat.“ 
In seinem Lehrbuch der Geographie spricht H. Wagner davon, daß der Atlas 
von Nie. Sansón (1600—1667) wesentlich den Holländern nachgebildet sei. 1 2 Das 
kann ich nicht ganz unterschreiben, denn die Holländer haben auch Sansón in 
schamloser Weise ausgenutzt, übrigens eine Sache, über die eine tiefere Untersuchung 
noch aussteht. Die französische Schule, die durch Sansón begründet wurde, 
war nicht mehr und nicht weniger wert als die niederländische, und wir wollen nicht 
vergessen, daß Sansón manche vortreffliche Arbeit geleistet hat. 
Von einer belgischen Schule wird man kaum sprechen, wenngleich zu den 
berühmten belgischen Geographen Abraham Ortelius (1526—1598) zählt, dessen 
berühmter Atlas „Theatrum orbis terrarum“ zum ersten Male 1570 in Antwerpen 
erschien. Er war weniger Kartograph als vielmehr Sammler und Herausgeber der 
besten zeitgenössischen Karten. 3 Im Theatrum bringt er ein erstes Verzeichnis von 
Kartographen. Jeder Karte seiner verschiedenen Werke gibt er eine kurze Be 
schreibung der Länder und seiner Bewohner, sowie eine Angabe der wichtigsten 
Quellen bei. Darum sagt nicht mit Unrecht F. v. Richthofen von ihm: „Hatte 
Mercator die Legende aus der Kartenzeichnung verbannt, so gebührt Ortelius der 
Ruhm, den wissenschaftlichen Charakter der letztem durch die möglichste Be 
schränkung der Darstellung auf, das wirklich Erkundete und die Ausscheidung des 
der Hypothese unterworfenen Gebietes der alten Geographie erhöht zu haben.“ 4 
Über Amsterdam kamen nicht bloß niederländische Erzeugnisse, sondern auch 
die Arbeiten von Sansón und Delisle nach Deutschland, wo sie in verschiedenen 
Städten, die sich mit Kartendruck beschäftigten, nachgeahmt, bzw. nachgedruckt 
wurden. Wir können uns in bezug auf Selbständigkeit und Ideenreichtum kaum ein 
unerfreulicheres und ärmlicheres Bild denken als das der deutschen Kartographie 
um die Wende des 17. zum 18. Jahrhundert, wobei allerhand altes Kartenmaterial 
aufgewärmt wird und neues sich nur spärlich durchringt. 
z Im 17. Jahrhundert rücken in Deutschland die kartographischen Höhepunkte 
nach den süddeutschen Kunststädten Nürnberg und Augsburg 5 , wo sie sich, be 
sonders in der erstem Stadt, bis Ende des 18. Jahrhunderts erhalten. Unter den 
Augsburgern wurde namentlich M. Seutter bekannt, der in dem Format der Ho- 
mann sehen Karten meist Kopien von niederländischen, französischen und italienischen 
1 K. Jolig: Niederländische Einflüsse in der deutsch. Kartographie bes. des 18. Jahrh. Diss. 
Leipzig 1903, S. 82. 
2 H. Wagner: Lehrbuch der Geographie. 9. Aufl. Hannover und Leipzig 1912, S. 9. 
3 W. Wolkenhauer: Abraham Ortelius. Deutsche Rundschau f. Geogr. u. Statistik. 
XX. 10. Heft. S.-A. S. 2. 
4 Fr. v. Richthofen: China I. Berlin 1877, S. 644. 
5 In Augsburg: Bodenehr (1631 — 1704), Stridbeck (1640—1716), Engelbrecht (1672 
bis 1735), Pfeffel (1686 oder 1674-1750), Wolff (1663-1724), Probst (1673-1748), Seutter 
(1678—1756), Lotter (1717—1777). — In Nürnberg: Jacob von Sandrart (1630—1708), David 
Funck (um 1700), Christoph Weigel (1654 — 1725), Joh. Baptista Homann (1663—1724).
	        
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