Das Punktsystem und seine Anwendung.
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II. Das Punktsystem und seine Anwendung.
348. Vorteile und Nachteile des Punktsystems und seine praktische Anwendung.
Wie ich in der Einleitung zu dem neuen System hervorhob, will das Punktsystem
die Vorteile der Schraffenmethode mit der Schummerung verbinden. Wieweit dies
gelungen ist, darüber dürfte man ein endgültiges Urteil noch kaum fällen können,
da noch zu wenig Erfahrungen in diesem System vorliegen, und eine Erprobung erst
von anderer Seite und in längerer Zeit erfolgen muß.
Die Schraffe ist teils markig und derb, teils spröde und ungelenk; der Punkt
hingegen ist gefügiger, geschmeidig und elastisch. Oder mit andern Worten: Der
Punkt ist modellierungs- und modulationsfähiger. Man wird für viele Darstellungen
die Schraffe nicht entbehren können, aber bei senkrechter Beleuchtung versagt sie
nicht selten zur Veranschaulichung sanfter geböschten Geländes, nur bei großmaß-
stabigen Karten vermag sie in diesen Fällen bekanntlich als Symbol der Böschung etwas
zu leisten. E. Hammer betont besonders, daß für den sanften Anstieg einer wenig
modellierten Hochfläche durch Schraffen überhaupt kein Ausdruck möglich ist 1 ;
und einige Jahrzehnte früher sagte E. v. Sydow: „Flache Terrainwellen, leicht
gruppierte und sanft gerundete Formen erhalten alsdann so wenig feine, weit von
einander stehende und oft langgezogene divergierende Striche, einzelnen weitläufigen
Strahlen und Sternfiguren gleichend, daß man nicht mehr imstande ist, den Zu
sammenhang solcher sanfter Terrainformen aufzufassen, die Bergschraffe verliert
nachgerade ihre Bedeutung.“ 1 2 Von theoretischem und praktischem Gesichtspunkte
aus hat wohl kaum jemand die Schraffe kürzer und besser beurteilt als Sydow. Im
Anschluß an die eben zitierten Worte fährt er fort: „Ebenso schwierig als es Leh-
mannschen Bergschraffen wird, in kleinen Maßstäben die Plastik sanft geböschter
und niedriger positiver Terrainformen auszudrücken, ebenso selten glückt ihnen
die Wiedergabe flacher Ausspülung der negativen Formen, die leichte Auskehlung
der Hohlformen, wie wir sie namentlich an den Mulden sehen, welche zu beiden Seiten
einer Einsattelung hinabziehen, denn nur zu leicht stoßen die Striche so scharf gegen
einander, daß sie eher streng markierte Einknickungen andeuten als flach ausgehöhlte
Spülungen.“ Hier das richtige Bild zu geben ist kaum ein anderes Darstellungsmittel
geeigneter als der Punkt.
Weiter hat der Punkt der Schraffe gegenüber den Vorzug, daß er sich wesent
lich leichter als die Schraffe anwenden läßt. Gewiß erfordert auch er eine längere
Zeit der Übung und großes Geschick, indessen liegt darin schon eine Erleichterung,
daß seine Anordnung nicht in dem strengen Sinne zur Hilfslinie (Isohypse) zu er
folgen hat wie bei der Schraffe, wo die senkrechte Stellung zu den Schichtlinien un-
gemein viel Sorgfalt und Geschicklichkeit erfordert. Weiterhin denke man daran,
daß das, klassische Schraffenbild erst nach Generationen den Kartenzeichnern ge
lang, und heute noch kann man dem Kampf mit der Schraffe auf vereinzelten, selbst
offiziellen Kartenblättern nachspüren. Die Böschungsschraffe hingegen hat den
großen Vorzug dem Punkt voraus, daß sie durch ihre gesamte Lage, durch ihren Anfang
und ihr Ende den Verlauf der Schichtlinien markiert. Daß dabei durch die Schraffe
1 E. Hammer i. G. J. XXIV. 1901/02, S. 44.
2 E. v. Sydows: Der kartographische Standpunkt Europas i. d. Jahren 1862 u. 1863. P. M.
1863, S. 476.