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Die wissenschaftlichen Grundlagen der Geländedarstellung.
Bei der Annahme paralleler Strahlen empfangen beide Ebenen gleiches Licht. Die
Licht- bzw. Schattenwerte der ebenen Flächen löst man in kleine Punkte auf; so
winzig, daß sie eben graphisch noch darstellbar sind. Dadurch, daß eine gleich
mäßige feine Punktverteilung stattfindet, wird der Charakter der Ebene auf der
Karte gut wiedergegeben, und durch die verschiedene Punktdichte, etwa, daß die
höher gelegene Ebene etwas dichter mit Punkten bedeckt wird, kann die Höhen
lage der Ebenen bezeichnet werden. In ähnlicher Weise lassen sich Becken, Wannen,
Poljen, Dolinen und verwandte Gebilde durch Punkte gut veranschaulichen, selbst
Formen, die bisher sich hartnäckig der Darstellung durch Kurve und Schraffe wider
setzen, wie die schwach geneigten Felsplatten am Grostepasse in der Brentagruppe. 1
Das Punktsystem für großmaßstabige topographische Karten anzuwenden,
ist nicht zu empfehlen. Die darauf verwendete Mühe dürfte sich nur in wenigen
Einzelfällen lohnen, ganz so wie bei den Schraffenkarten. Doch auf Karten in den
Maßstäben von 1 : 100000 an und kleiner läßt sich der Punkt schon verwenden, des
gleichen auf Schulkarten. Auf diesem Gebiet hatte ich 1898 die ersten Karten nach
dem Punktsystem veröffentlicht; es geschah in dem kleinen Schulkartenwerke „Neuer
methodischer Schulatlas“. E. Hammer, der in seinen „Berichten über die Fort
schritte der Kartenprojektionslehre, der Kartenzeichnung und der Kartenmessung“
im Geographischen Jahrbuche auf Yolksschulatlanten nie zu reden kam, widmete
dem Atlas einige Worte 1 2 , weil in ihm „für die Darstellung der Gebirge und Gebirgs-
glieder eine Punktiermanier angewandt ist, durch die sich manches ausdrücken läßt
und die zum Teil gar nicht übel wirkt“; die wissenschaftliche Grundlage dazu konnte
er nicht wissen, doch schien er sie zu ahnen. 3
1 Daß diese Platten durch Schraffen undKurven nicht darstellbar sind, darüber vgl. L. Ae ge r te r:
-Begleitworte zur Karte der Brentagruppe. Z. d. Ö. A.-V. 1908, S. 82. — Vgl. oben S. 477.
2 E. Hammer i. G. J. XXIV. Gotha 1901/02, S. 49.
3 Vielleicht war es ein Fehler, daß ich nicht bereits vor Jahren mit der Bekanntgabe der wissen
schaftlichen Grundlage des Punktsystems ans Tageslicht trat; indessen hatte ich mir vorgenommen,
sie im Rahmen einer großem Veröffentlichung zu geben, um ihre Nachteile und Vorteile besser ab
wägen zu können. Die Grundzüge des Systems, wie sie oben gegeben, sind im wesentlichen dieselben,
wie ich sie 1897 bereits entworfen hatte. Meine Begleitworte zum Atlas sind seinerzeit, wie E. Hammer
im G. J. XXIV, 1901/02, S. 49, ganz richtig hervorhob, als „Kriegserklärung“ aufgefaßt worden. Wer
den großenteils jämmerlichen Zustand der damaligen Volksschulatlanten kannte, von denen mehr als
30 in Deutschland gebraucht wurden, mußte meinen Ausführungen beistimmen, wie es auch zumeist
geschehen war. Aber auch die wenigen guten kartographischen Institute fühlten sich getroffen, was
ich durchaus nicht beabsichtigt hatte, und so wurde ein großer Feldzug gegen das kleine Werk er
öffnet, der ein längeres gerichtliches Verfahren nach sich zog, das schließlich beim Reichsgericht mit
dem Urteilsspruch vom 25. Sept. 1903 (D. 1562/03. XI 2572. St. A. II 440/98) endete, in dem es u. a.
heißt, „daß nach den Feststellungen des Urteils objektiv der Tatbestand des Nachdrucks nicht vor
liegt, weil mit Rücksicht auf die in den Urteilsgründen hervorgehobenen Momente die in Frage kommen
den Landkarten als neue und selbständige, eigenartige Schöpfungen sich darstellen, womit
ausgesprochen ist, daß sie tatsächlich das Produkt seiner (des Autors) geistigen Arbeit sind.
Auch ein partieller Nachdruck ist nicht für erwiesen erachtet.“ Da man meinem System absolut nicht
anders beizukommen verstand, verdächtigte man die Umrisse einiger Karten des kleinen Volksschul
atlas als Plagiate, obwohl auch hier Originalarbeit, nicht von mir, sondern von den betreffenden Karten
zeichnern vorlag. Das muß ich allerdings heutigestags sagen, wären es Kartographen von Fach ge
wesen, so wäre in den Umrissen tatsächlich etwas Besseres geleistet worden. Doch mein damaliger
Verleger, der das System zum Patent angemeldet hatte, wollte wegen des Geheimhaltens des Verfahrens
keine Kartographen von Fach und ließ die Karten nach meinen Ideen von Lithographen, die mir seiner
zeit als Kartographen vorgestellt wurden, bearbeiten. Das Patent war in Deutschland, Frankreich,