Zur Kritik der Schichtlinien.
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354. Das Genauigkeitsmaß hei ehorographischen Schichtlinienkarten. Besonders
schwierig ist es, für die Schichtlinie der ehorographischen Karte das Maß zu begrenzen,
wo es heißt: jetzt ist sie im großen und ganzen als genau anzusprechen. Das wird
sich ebenso nach dem Maßstab wie nach dem Stand unserer Kenntnis irgendeiner
Gegend richten. Freilich kann man der Genauigkeit auch hier mathematisch zu
Leihe rücken und sagen, daß die Linie genau festgelegt ist, wenn ein Linienelement
von gegebener Länge durch n-Punkte bestimmt ist. In Anlehnung an die Berechnung
der durchschnittlichen Entfernung der Nachbarpunkte (vgl. Tab. auf S. 232) könnte
man die Beihe fortsetzen bis zu kleinen Maßstäben. Entfällt z. B. 1 Höhenpunkt
auf 1 qkm, ist die durchschnittliche Entfernung der Punkte im Maßstab 1 : 25 000 =
40 mm, in 1 : 100000 = 10 mm, in 1 : 1000000 = 1 mm. Würden bei dem letztem
Maßstabe 4 Punkte auf 1 qkm entfallen, wären sie durchschnittlich 1 / 2 mm entfernt,
also graphisch noch gut darstellbar. Das würde die gleiche mittlere Entfernung sein,
die die Punkte in 1 : 2000000 hätten, wenn 1 Punkt auf 1 qkm käme.
Würden wir praktische Kartographen fragen, ob ihnen mit solchen mathematischen
Regeln gedient ist, bin ich sicher, daß sie ,,nein!“ antworten. Denn für den Aufbau
vieler derartiger Karten fehlen manchmal auf zehn und mehr Quadratkilometer ein
wandfreie Höhenmarken und trotzdem wird ein hypsometrisches Bild geschaffen,
das uns die Massenerscheinungen der orographischen Gestaltung gut veranschaulicht
und .zu tiefen Studien anregt. Hier geben eben gute geographische Kenntnisse,
mancherlei Erfahrungen bei der Geländeaufnahme, auf Studienreisen und in der
Studierstube und die Intuition den sichern Weg der Geländedarstellung. Noch weniger
würde es sich lohnen, die Höhengrenzfehler und die Lagegrenzfehler zu bestimmen,
wie wir es für die großmaßstabigen Karten angegeben haben (vgl. Tab. auf S. 285).
Gewiß hindert nichts, diese Art Berechnung auch für kleinere Maßstäbe durchzu
führen; aber was wird mit ihnen gewonnen? Nichts! In Spitzfindigkeiten würden
sie ausarten und die praktische Kartographie ging leer aus. Wir folgen E. Hammer
ganz gern, wenn er sagt, „daß im allgemeinen die Höhenlinien um so mehr an Wirk
lichkeit einbüßen, je kleiner der Maßstab der Karte wird“. 1 Man kann ihm aber nur
bedingt folgen, wenn er hervorhebt, daß für Übersichtskarten in 1 : 500000 „die
Höhenlinien meist nicht mehr viel nützen“; doch fügt er gleichsam sich selbst ver
bessernd hinzu, „wenn nicht etwa die Darstellung der Höhenschichten der einzige
oder hauptsächliche Zweck der Karte ist“. Auch erscheint mir die Wahl der Schicht
linien für die Geländedarstellung auf der Übersichtskarte des Deutschen Reiches in
1 : 200000 nicht so unglücklich, wie er annimmt.
L. Aegerter, dessen Schichtlinien wir auf seinen Alpenkarten bewundern sowohl
in der Zeichnung wie in der Brauchbarkeit im Gelände, spricht außer von den trigono
metrisch gewonnenen Höhenpunkten von untergeordneten Höhenbestimmungen, die
dazu dienen, das Terrain in Höhenschichten darzustellen. Mit Hilfe des Rechen
schiebers löst er bequem und rasch die Rechnung auf graphische Art. „Hat man (auf
diese Weise) eine genügende Anzahl solcher Terrainpunkte fixiert, so zieht man nach
Naturbeobachtung die Linien, welche den Charakter des Terrains bestimmen. Es ist
meines Erachtens eine verfehlte Manier, wenn, wie es leider noch bei den öster
reichischen Präzisionsaufnahmen geschieht, die Höhenlinien, die das Charakteristische
der Landschaft ausdrücken sollen, erst im Bureau durch einfache Interpolation
1 E. Hammer: Über die Bestrebungen der neuern Landestopographie. P. M. 1907 , 8. 100.