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Die wissenschaftlichen Grundlagen der Geländedarstellung.
im Kriegsgelände aufgenommen und hergestellt wurden, zog man wegen der Über
sichtlichkeit die farbigen Schichtlinien den schwarzen vor, trotzdem sie eine Mehr
belastung der Arbeit (besondere Geländeplatte in Druck) der einzelnen Vermessungs
abteilungen bedeuteten.
Mit Hilfe der farbigen Schichtlinien kann man alle Teile des Geländes, selbst
Felsen, Gletscher und Seeböden, mit Schichtlinien überspannen. 1 Wendet man dagegen
schwarze Schichtlinien im Felsterrain an, wie ich es beispielsweise auf der Karte des
Gottesackerplateaus versucht habe 1 2 , ertrinkt die Schichtlinie im Gewirr der Karten
zeichen und hat dann wenig Nutzen. Gerade die Geographen dringen neuerdings
darauf, daß es im Feldgelände besonders nötig ist, ,,das feste Gerippe der Schicht
linien zu bewahren, da sie allein über Höhe und Steilheit des Geländes Auskunft
geben können.“ 3
363. Plastik der Schichtliniendarstellung. Ein gewisser plastischer Effekt der
durch die Zusammenscharung von Schichtlinien bewirkten Schattierung kann Gebirgs-
karten nicht versagt bleiben, wie auch A. Penck zugibt, nicht jedoch K. Peucker. 4
Das würde eine Art senkrechter Beleuchtung sein; sie aber im Sinne der Lehmannschen
Schraffur böschungsplastisch zu begründen, wie es Penck getan hat 5 , halte ich für
gekünstelt, weil dadurch das Wesen der Schichtlinie völlig verschoben wird, und m. E.
soll man nicht in sie hineinzwängen, was in ihr nicht liegt oder ihr von Natur aus nicht
zukommt. Übrigens gelangt Penck schließlich selbst zu der Einsicht, daß man doch
zur Schattierung greifen muß, wenn man die volle Form des Geländes (über dem
Gerippe der Schichtlinien) zur Darstellung bringen will. An der Betrachtung über
den plastischen Effekt gescharter Schichtlinien tragen unter anderm die Karten des
Siegfriedatlas in 1 : 25.000 und 1 : 50000 ein gut Teil Schuld. Ein plastischer Effekt
läßt sich auf vielen der Atlasblätter nicht in Abrede stellen, wobei jedoch nicht über
sehen werden darf, daß er tiefer in dem stark sprechenden Gegensatz von Vertikalen
(schwarze Felszeichnung in Vertikalansicht) und Horizontalen (braunen Schicht
linien) als in der reinen Schichtlinienzeichnung begründet ist.
Nicht selten begegnet man dem Ausdruck Horizontalschraffierung für die
Isohypsen, wenn sie in kleinen Abständen zusammengesetzt erscheinen, vielfach
mit der Absicht, dadurch plastisch zu wirken. Nichts ist verkehrter wie diese Be
zeichnung. Ganz abgesehen von der Unnatürlichkeit der Wirkung einer Schattierung
in Horizontalen 6 hat das ganze Verfahren absolut nichts mit einer Schraffur zu tun.
Die Schichtlinien und die ihnen verwandten Formlinien sind, wie schon A. Petermann
1 Wie es z. B. auf den Karten des Siegfriedatlas geschehen ist. Weil hier die Seeböden in
Schichtlinien dargestellt waren, war es nicht nötig, besondere Seeatlanten herauszugehen wie für die
Seen des deutschen, österreichischen, französischen und italienischen Alpenteils.
2 M. Eckert: Das Gottesackerplateau. Ein Karrenfeld im Allgäu. Wiss. Erg.-Hefte z. Z. d.
D. u. Ö. A.-V. I. 3. Heft, Innsbruck 1902.
3 A. Penck, a. a. O., S. 72.
4 K. Peucker: Schattenplastik und Farbenplastik. Wien 1898, S. Off. — Später spricht er
allerdings von einer „anschaulichen Wirkung dieser ungewollten Schattenplastik“ bei einer Isohypsen
karte aus dem Siegfriedatlas i. Drei Thesen zum Ausbau der theoretischen Kartographie. G. Z. 1902,
S. 147.
6 A. Penck, a. a. O., S. 73, 74.
5 Vgl. K. Peucker: Zur kartographischen Darstellung der dritten Dimension. G. Z. 1901, S. 29.