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Die wissenschaftlichen Grundlagen der Geländedarstellung.
Daß bei geringerer Böschung die Lichtintensität eine geringere ist, kommt auch
bei Paulinys Methode zum Ausdruck. Nur über das Ausmaß dieser Abnahme war
man sich nicht klar und hat zu einem Schematismus seine Zuflucht genommen, der die
natürlichen Beleuchtungsgesetze in keiner Weise respektiert; wir wissen, daß selbst
deren Beachtung zu keiner befriedigenden Lösung führt, wie die Wiechelschen Unter
suchungen erwiesen haben. Bei schräger Beleuchtung kann das Schwarz-Weiß
verhältnis nur mühsam von Zone zu Zone berechnet werden. In seiner Schatten-
und Barbenplastik hat K. Peucker bereits die Schattierungen von Pauliny mit dem
natürlichen Beleuchtungsgesetz, wie es Wiechel entwickelt hat, in Verbindung ge
bracht und die Unterschiede zwischen beiden bei einer Böschung von 45° untersucht,
wobei er unter anderm zu dem Ergebnis kommt, daß bei einer Isohypsenböschung
von 5—15° Pauliny die Böschung bereits-so stark schattiert hat, wie sie einem Böschungs
winkel von 27° entspricht; der Fehler beträgt hier 110° ¡q. 1 Man könnte diese Fehler
berechnungen leicht auf die verschiedenen Böschungen ausdehnen, was praktisch
jedoch kaum Zweck hätte, weil dadurch keine neuen Gesichtspunkte für eine bessere
Darstellung gewonnen würden. Überall, in welcher Richtung man auch der Methode
von Pauliny auf den Leib rückt, erweist sich, daß der Weg, der für ihre Begründung
eingeschlagen wurde, ein verfehlter war; die wahren Beleuchtungsgesetze dürfen auf
keinen Fall umgangen werden.
Vielleicht hatte Pauliny selbst kein rechtes Vertrauen zu seiner Methode, denn
in seiner Karte hat er uns bloß ein Schichtlinien- und kein Schichtflächenbild gegeben.
Die Karte'vom Schneeberg, Raxalpe und Semmering in 1 : 37 500 erschien in 4 Blättern,
und zwar in einer vierfarbigen und einer achtfarbigen Ausgabe. Am klarsten springt
seine Methode ins Gesicht bei der ersten, worauf die Situation schwarz, das Gewässer
blau und die Schichtlinien weiß und dunkelbraun erscheinen. Die Arbeit ist akkurat
und sauber ausgeführt und kartographisch gut durchdacht. Die gesamte Schichtlinien
führung zeigt den routinierten und geographisch gut durchgebildeten Kartographen.
Aber die Kartenplastik, um die so viel Wesens gemacht wurde, ist „matt und schal,
ohne Kraft und Seele“. 1 2 Die Schuld trägt zweifellos zum gut Teil das gleichmäßige
Grau des Papiertons, das die Modulation in den Schatten und mithin die Übersicht
lichkeit der Höhenabstufungen verhindert. 3 Die 100 m-Schichtlinien sind stark her
vorgehoben, im übrigen ganz so behandelt wie die Zwischenisohypsen; die Wirkung
der Karte geht in der Hauptsache auf die 100m-Schichtlinien zurück, die andern
Schichtlinien treten schwach hervor. Betrachtet man die Karte bei schräger Haltung
aus einiger Entfernung, dreht sich der Effekt des Bildes um, die beleuchteten Seiten
erscheinen als die Ostgehänge und die im Schatten liegenden als die Westgehänge,
eben eine Folge des Unvermögens der Zeichnung, Höhenabstufungen zu veranschau
lichen.
Die achtfarbige Ausgabe der Karte wirkt plastischer, was indessen nicht auf
den Schichtlinien beruht, sondern an der geschickten Handhabung der Kultursignaturen.
Der Wald, der in der Hauptsache die Berge deckt, erscheint auf der Lichtseite in
feinen hellgrauen Ringeln, auf der Schattenseite in dunkelgrünen Ringeln. Dadurch
1 K. Peucker: Schattenplastik und Parbenplastik. Wien 1898, S. 68, Anm.
2 Es sind dies Worte von Pauliny, die er aber andern und nicht seinen Karten gegenüber
gebraucht; a. a. 0., S. 83.
3 Dies auch von H. Habenicht erkannt. P. M. 1899, LB. 98, S. 25.