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Die Kartographie als Wissenschaft.
ein, ferner wird die Projektionsfrage nur flüchtig gestreift. Dagegen bleibt er ausführ
licher bei Verbesserungsmöglichkeiten der Handatlanten stehen und gibt da etliche Winke.
Für mich handelt es sich hier bloß darum, auf das Unterschiedliche im Aufbau
zwischen den beiden Handatlanten von ausgeprägtestem Typus, zwischen Stieler
upd Debes, hinzuweisen. Was Stieler unter den Kupferstichkarten, das ist Debes
unter den Lithographiekarten. Debes achtete bei der Anlage seines Werkes besonders
auf die Abgrenzung der Blätter, von denen jedes ein geographisch gut abgerundetes
Landschaftsbild bringt, dabei jedoch in möglichst praktischer und ökonomischer Art
so gestaltet ist, daß die benachbarten Blätter meist weit ineinander greifen. Darin
unterscheidet er sich wesentlich von Stieler, der die Kontinente und großem Länder
in einzelne, nicht abgerundete Kartenteile zerlegt, die erst aneinander gefügt ein
geographisches Gesamtbild ergeben 1 ; nur bei Asien ist dieses Prinzip, das wir anstatt
Hand- besser Wandkartenprinzip nennen wollen, durchbrochen. Über den Wert
der verschiedenen Abgrenzungsprinzipe läßt sich streiten; offenbar hat Debes in den
geschlossenen großem Landschaftsbildern das mehr geographische Moment voraus,
dagegen gewinnt Stieler durch seine Methode und die dadurch bedingte Vermeidung
von Wiederholungen einen großem Maßstab für die Karten und gibt die Möglichkeit,
große Länder, wie die spanische Halbinsel, Frankreich, die Vereinigten Staaten von
Amerika 1 2 , Südamerika, Afrika durch Zusammensetzen auch in einem Blatt bringen
und benutzen zu können. Der Stieler ist umfangreicher als der Debes; dieser hat ein
größeres und ebenso wohlerwogenes Format. 3 E. Debes, durch die projektions
kritischen Arbeiten von Tissot und Hammer angeregt, bringt als ein erster in dem
Handatlas rationellere Entwurfsarten in weitgehenderm Maße als es bis dahin in
Handatlanten der Fall war. Im übrigen aber behält Stieler als allgemeiner Hand
atlas mit seinen 100 Blättern der Neuauflage immer wieder die führende Bolle unter
allen ähnlichen Kartenwerken des In- und Auslandes; noch immer umfaßt er unter
den jeweiligen Erzeugnissen die schönsten und wirksamsten Bilder von dem Antlitz
der Erde. Diese Palme zu erringen ist jetzt schwieriger als früher, da das Niveau der
Kartographie des In- und Auslandes ein erfreulich höheres und gleichmäßigeres ge
worden ist. Daneben ist aber für den Stieler noch ganz besonders anerkennenswert,
daß er bei einer hundertjährigen Entwicklung Charakter und Ziel im wesentlichen
treu bewahren konnte, also die Grundsätze der Bearbeitung, die Adolf Stieler in
den ersten Sätzen des Entwurfs zum großen Atlas folgenderweise bezeichnete: „Meine
Idee ist, etwas dem Plan nach Beschränktes, aber in der Ausführung Ausgezeichnetes
zu liefern. Bequemes Format, Begleittext zu jedem Blatt, möglichste Genauigkeit,
1 M. Eckert: Der Einfluß von Ernst Debes auf die Deutsche Kartographie. Globus XCIII.
Nr. 15. 1907. — Vgl. auch C. Vogel in P. M. 1879, S. 338.
2 Gerade diese Karte, zuerst von Aug. Petermann sorgfältig bearbeitet, fand seither größte
Anerkennung, auch von amerikanischer Seite; E. H. It uff ne r (Headquarters Department of the
Missouri, Forth Leavenworth, Office of the Chef Engineer) schreibt am 5. Nov. 1874 an Petermann:
„I am led to admire jour great care and accuracy and also the beautiful execution of the whole work.
This Map, I am ashamed to be compelled to acknowledge, is much the most accurate generale one in
existence of the western half of our territory.“
3 Als Debes das Format der Blätter seines Atlasses innerhalb der Randlinie nach eingehen
den Erwägungen in dem Ausmaß von 36 x 48 cm festgesetzt hatte, wodurch ein Format erreicht
wurde, das ungefähr die Mitte hält zwischen den Atlanten von Kiepert und Stieler und eine Menge
Vorteile bietet, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, wurde dies bald von Herausgebern
anderer Atlanten erkannt, die sich ihrerseits beeilten, ihre Werke auf dasselbe Format zuzuschneiden.