Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

52 
Die Kartographie als Wissenschaft. 
Für die Einteilung der Karten können außer rein wissenschaftlichen Gründen 
noch andere maßgebend sein. Das üblichste ist, der Zweckbestimmung zu folgen. 1 
In der Hauptsache werden dabei die angewandten Karten rubriziert. Als erste 
Gruppe würden hier wieder obenan stehen die geographischen Karten, unter die großen 
teils die topographischen Übersichts- und die chorographischen Karten fallen. Es 
folgt die umfangreiche Gruppe der physikalischen Karten, aus denen wir die all 
gemeinen und besondern hervorheben; zu jenen gehören die geognostischen, geolo 
gischen, geologisch-agronomischen, die hydrographischen oder Gewässer- und die 
orographischen oder Gebirgskarten, zu diesen die erdmagnetischen, meteorologi 
schen, klimatologischen und ozeanologischen Karten mit Einschluß der Seekarten. 
Die nächst wichtige Gruppe ist die der biologischen Karten, die je nach ihrem 
Forschungs- und Darstellungsgebiet in ethnographische, tier- und pflanzengeo 
graphische zerfallen. Es folgen die großen Gruppen der politischen und historischen 
Karten, der Wirtschafts- und Yerkehrskarten, der Siedelungs- und statistischen Karten. 
Die statistische Karte wird, sobald sich das statistische Material nicht den geographi 
schen Methoden der Bearbeitung fügt und die Signaturen und Abbreviationen, wie 
sie die statistische Darstellung auch ohne kartographischen Hintergrund gebraucht, 
einfach in das Kartenbild hineingesetzt werden, zum Kartogramm. Außerdem 
gibt es Karten, die man verschiedenen Gruppen zuweisen kann; die Touristenkarte 
z. B. kann geographische, orographische oder Verkehrskarte sein. 1 2 Schließlich sei 
noch auf die bekannten Unterschiede von Hand- und Schulkarten, Hand- und Schul 
atlas, Hand- und Wandkarte hingewiesen. 
Ein großer Unterschied zwischen den konkreten und abstrakten Karten besteht 
darin, daß dort die Quellenwerke der ganzen Kartographie geschaffen, hier die Grund 
lagen nicht selbst geschaffen, sondern jenen Originalwerken erst entlehnt werden. Dort 
befinden wir uns auf dem Boden der staatlichen Kartographie, hier auf dem der 
Privat kartographie. Diese beschäftigt bis jetzt in höherm Maße die Geographen als 
jene, zumal die angewandten Karten auf wissenschaftlichen Methoden beruhen, 
deren Ursprung in den meisten Fällen direkt in die Arbeitstube des Gelehrten führt. 
Ein Fehler der meisten angewandten Karten ist, daß sie ohne Geländedarstellung 
sind. Und doch wird bei jeder dieser Karten das Oberflächengebilde bewußt oder un 
bewußt hinzugedacht; denn beispielsweise ist eine politische Karte ohne Terrain 
nicht vollständig verständlich, ebenso nicht die kulturgeographische oder natur 
historische. Die Bevölkerungskarte sollte ohne Terrain kaum denkbar sein, und den 
noch präsentiert sie sich durchgängig ohne Gebirgszeichnung, obwohl schon vor 
Jahrzehnten K. v. Baer darauf hinwies, daß ,,in der physischen Beschaffenheit der 
Wohngebiete das Schicksal der Völker und der gesamten Menschheit gleichsam vor 
gezeichnet ist“, — ein Satz, der später in Ratzels Anthropogeographie mannigfach 
variiert auftritt. Wohl erheben sich jetzt noch technische und pekuniäre Bedenken, 
das Gelände bei den abstrakten Karten zur Darstellung zu bringen, indessen wird 
man bei künftigen Karten immer mehr danach streben, das Terrain als zarte Unter 
lage des Hauptinhaltes der Karte erscheinen zu lassen. Wie hier und da bereits er 
freuliche dahinzielende Ansätze, wenn auch noch recht zaghaft, zu erkennen sind, 
werden die hier behandelten Probleme gebührend hervorzuheben wissen. 
1 M. Groll: Kartenkunde. II. Berlin und Leipzig 1912, S. 7 — 10. 
2 Als neuere Erscheinung gehört z. B. zu den Touristenkarten d. Schiroutenkarte. Mitt.d.D. 
u. Ö. A.-V. 1909, Nr. 2.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.