Die Karte an sich.
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18. Kartendefinition und Kartenname. Konkrete und abstrakte Karten können
kaum die an sie herandrängende Fülle des Stoffes beherrschen; im Stoffe per se liegt
ihre Zusammengehörigkeit von vornherein fundiert, ganz gleich, ob diese mehr kon
kret oder abstrakt behandelt, ganz gleich, ob die Karte mit Terrain oder ohne Terrain
gezeichnet ist. Auf jeden Fall sind die abstrakten Karten von dem Allgemeinbegriff
„Karte“ nicht auszuschalten, mithin auch nicht bei einer Definition über das Wesen
der Karte. So gelangen wir zu dem Ergebnis:
Die geographische Karte ist das Planbild eines^ großem oder
kleinern Teils der Erdoberfläche, das neben den Lageverhältnissen auch
Flächen- und Raumverhältnisse und sodann geophysische, kultur- und
naturhistorische Tatsachen graphisch übersichtlich so zur Veranschau
lichung bringt, daß das Ablesen und Ausmessen der dargestellten Ob
jekte ermöglicht wird.
Mit dieser Definition dürfte wohl das Wesen der Karte erschöpft sein. Auch
das Lesen und Messen auf der Karte, womit ein wesentlicher Teil der Arbeit des wissen
schaftlichen Geographen beginnt 1 , findet darin die entsprechende Berücksichtigung.
Aber die Länge der Begriffsbestimmung ist ihre Schwäche. Darum wird man sich
für gewöhnlich mit folgender kürzern Fassung begnügen können: Die Karte ist
das Planbild der Erde oder eines großem oder kleinern Teils der Erd
oberfläche. Schon 1713 nannte J. G. Gregorii die Karte „ein Gemälde, wodurch
die Erde oder deren Teile in einer Fläche künstlich vorgebildet werden.“ Wer sich
mit diesen Definitionen nicht zufrieden geben will, kann ja eine von den vielen wählen,
die am Eingang unserer Untersuchung mitgeteilt wurden (S. 48) oder die jetzt noch
folgen, die weniger das Wesen der Karte als vielmehr ihren Zweck treffen. Wenn wir
mathematisch scharf Vorgehen wollen, genügen alle gebräuchlichen Definitionen nicht,
die von der Karte als dem Planbild, der Abbildung der Erdoberfläche auf die Ebene
sprechen. Das ist nur bei Karten der Fall, bei denen man voraussetzt, daß die Karte
maßstäblich so groß ist, daß sie praktisch dem abzubildenden Erdoberflächenstück in
jeder Weise gleich ist. Wenn es heißt, die Karte ist die Projektion der Erde oder eines
Teiles der Erdoberfläche, handelt es sich um weiter nichts anderes als um eine Kon
struktion, eine Abbildung der Projektion nach mathematisch geregelten Gesetzen.
Ohne die Karte ist keine geographische Anschauung möglich, ohne sie keine
rechten geographischen Begriffe, ohne sie kein geographisches Studium. Das offen
bart gleichfalls das schon vor langer Zeit von A. Petermann geprägte Wort: „Die
Karte ist die Basis der Geographie“ 1 2 , ein Wort, das in allen Variationen in Zeit
schriften und Lehrbüchern wiederkehrt, im Inland wie im Ausland. W. Wolken
hauer wiederholt es in dieser Weise: „Die Karte ist die Basis der Geographie und
der wichtigste Träger aller erdkundlichen Erkenntnisse“ 3 , womit er das weitere Wort
Petermanns zusammenfaßt: „Die Karte zeigt uns am besten, am deutlichsten und
am genauesten, was wir von unserer Erde wissen“. A. Hettner sagt: „Die Karte
1 H. Wagner: Lehrbuch der Geographie. 9. Aufl. Hannover u. Leipzig 1912, S. 252. —
A. Wedemeyer: Das Messen auf geographischen Karten. Z. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin 1917,
S.96—114. — S. ferner die Berichte über Kartometrie im G. J., die E. Hammer begonnen und jetzt
топ H. Haack fortgesetzt werden.
2 Aug. Petermann in G. J. I. 1866, S. 581.
3 W. Wolkenhauer: Die kartographische Darstellung der senkrechten Gliederung der Erd
oberfläche. Deutsche ltundsch. f. Geogr. u. Stat. 1880, S. 1.