Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

Die Karte an sich. 
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imago u.a. Der tabula geographica entspricht die deutsche „Land-Tafel“, ein Ausdruck, 
in der Renaissancezeit entstanden, der uns weit hinein ins 17. Jahrhundert begleitet, 
wo er dann von der „Land-Charte“ ganz und gar verdrängt wurde. Das englische 
„chart“ (charter) und „card“ in der Bedeutung als Seekarte scheint aus dem Hol 
ländischen nach England gekommen zu sein, offenbar durch L. J. Waghenaars 
berühmte Seeatlanten aus dem Ende des 16. Jahrhunderts, die eine ungemein weite 
Verbreitung und Beliebtheit fanden, worin auch die Rede von den „Paß-Charten“ 
(= Seekarten) ist, weil man darauf mit dem Zirkel (niederländisch Passer von compassus) 
arbeiten, messen kann. Heute noch wird im Englischen „chards“ fast ausschließlich 
für Seekarten gebraucht, zum Unterschied von den „maps“, den Landkarten, worin 
die alte Bedeutung von mappa mundi weiterlebt, wie auch in dem französischen 
„mappemonde“, in Frankreich aber schon seit Jahrhunderten nur für die Erdhalb 
kugelkarten gebraucht. 
19. Die Karteiieigenschaïten im allgemeinen. Heben wir die guten Eigenschaften 
einer Karte hervor, ergeben sich die schlechten von selbst, so daß auf diese besonders 
einzugehen sich erübrigt. Ausführlicher beschäftigt sich 1761 Buy de Mornas mit 
den Karteneigenschaften; das betreffende Kapitel seines methodischen Atlas heißt: 
„Des bonnes et mouvaises qualités des cartes.“ 1 Indessen geht er bei seiner Unter 
suchung weniger auf das Wesen der Karte und ihres Inhaltes ein als mehr auf die 
äußerliche Anordnung. So hebt er bei den guten Eigenschaften hervor, daß die Länder 
nicht verschiedene Gestalt auf den verschiedenen Karten haben dürfen, daß die Grenzen 
benachbarter Staaten auf allen Karten übereinstimmen müssen usf. Mornas hatte 
seinerzeit noch auf Dinge zu achten, die uns heute als selbstverständlich erscheinen, 
wie die Wiedergabe der genauen Ortslagen nach Länge und Breite im Kartenbild, die 
exakte Konstruktion der Projektion. Die schlechten Eigenschaften führt er auf vier 
Quellen zurück: Auf die nicht genügende Berücksichtigung des vorhandenen Quellen 
materials, die Verschleierung der Originale beim Nachstich durch skrupellose und 
gewinnsüchtige Kaufleute und Verleger, die Gedächtnisfehler der Autoren und die 
Ungeschicklichkeit der Kartenstecher. 
Wir wollen uns hier nicht mit den Ursachen der Güte und der Mängel der Karten 
beschäftigen, da sie, wie noch dargetan wird, besonders große Untersuchungen erfordern, 
sondern lediglich mit den allgemeinen guten Eigenschaften einer Karte. Von der Karte 
wird gefordert, daß sie richtig, vollständig, zweckentsprechend, klar und 
verständlich, lesbar und schön sei. 1 2 
Die wichtigste Anforderung ist die Richtigkeit oder Genauigkeit. Sie be 
zieht sich nicht allein auf die Korrektheit der Umrißzeichnung, der Namengebung 3 
und Zeichensetzung, sondern auch auf die der Wirklichkeit entsprechende Wiedergabe 
der Längen- und Breitenausdehnungen und der Flächeninhalte. Es knüpfen sich hieran 
hochinteressante Untersuchungen, die sowohl topographischer wie allgemein karto- 
1 Atlas méthodique et élémentaire de géographie et d’histoire par Buy de Mornas, Professeur 
de géographie et d’histoire. Paris 1761. I. Blatt 26. [Nat. Bibi. Paris. 1 Ex. auch i. d. Hof- u. 
Staatsbibi, in München.] 
2 Über Vollständigkeit, Genauigkeit und Lesbarkeit spricht C. Vogel in P. M. 1887, S. 16; 
vgl. in Aus allen Weltteilen XII, S. 162. 
3 Vgï. u. a. J. Partsch: Eine Aufgabe der Kartographie im Riesengebirge. Hirschberg 1887.
	        
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