Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

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Die Kartographie als Wissenschaft. 
dennoch zeichnen wir bereits verhältnismäßig detailierte Karten von Asien und Afrika. 
Das Detail ist aber nur scheinbar, bedingt durch den Maßstab gegenüber den großen 
Landkomplexen. Unsicher sind selbst die Höhenbestimmungen hervorragender Ge 
birge. 1 Der Kartograph muß mit großem Geschick und Sachverständnis die richtige 
Höhenzahl auswählen. Dabei kann ihn der Geograph am besten unterstützen (s. S.6, 41). 
Vielfach ist es der Karte nicht möglich, die wünschenswerte Genauigkeit zu er 
reichen. Ein Vorwurf ihr gegenüber ist alsdann auch unberechtigt. Noch unter der 
Hand des Zeichners veraltet die Karte. Das ist zwar für den Kartenzeichner oft schmerz 
lich; doch seine Schaffensfreude besiegt dieses Unlustgefühl und der Drang, der Er 
scheinungen Flucht Meister zu werden. Keine Karte veraltet so schnell wie die Land 
karte großen Maßstabes der Industriegebiete und viele Spezialkarten. Vor allem sind 
es die Werke durch Menschenhand, die das Antlitz der Erde rapid verändern. Aber 
auch die Naturkräfte tragen das ihrige bei. Die Wirkungen von Regen, Eis, Wind und 
fließendem Wasser zerstören die Erhebungen über dem Meeresspiegel, an den Meeres 
küsten nagen die brandenden Wogen, die Vulkane zertrümmern alte Erdschollen oder 
schaffen neue. Allüberall ein unausgesetztes Regen und Bewegen, Zerstören und Auf 
bauen. In dieser Erscheinungen Flucht bezeichnet die Karte einen Ruhepunkt. 
Neben der Registrierung der fortwährenden Veränderungen der Erdoberfläche 
häufen sich von Tag zu Tag die geodätischen und andern Aufnahmen, die Reisebeschrei 
bungen und allerlei geographische Beobachtungen. Das kartographische Material 
schwillt schier unübersichtlich an. Und trotz des seit Jahren riesenhaft angewachsenen 
Nahrungstoffes ist die kartographische Kenntnis unserer Erde eine bedeutend geringere 
als allgemein geglaubt wird. 1 2 Die Hauptsache jedoch bleibt für die Karte, daß kein 
Punkt, keine Linie darin ist, die nicht ihre Berechtigung hat, so daß die Karte jederzeit 
das treue Spiegelbild vom Stande des geographischen Wissens ist. 
21. Autor- und Datumangabe der Karten. Namenindex. Die wissenschaftliche 
Kartographie kann der Karte nach ihrem Habitus und Wesen nur einen approxima 
tiven Wert beilegen, es handle sich denn um Karten in solchen Maßstäben, wie in 
1: 5000 und noch größer, die keine Übertreibung bei der Darstellung der Dinge im 
Raume nötig haben. Trotz der Erkenntnis des approximativen Wertes wird daran nichts 
zu ändern sein, daß die chorographische und angewandte Karte jederzeit auf Grund 
ihrer bestimmten Zeichen mit einem bestimmten Selbstbewußtsein auftritt. Es läßt 
sich nicht in Abrede stellen, daß die Karte etwas Selbstherrliches und Diktatorisches, 
ein unbedingt Gewisses zur Schau trägt; sie tritt mit einer Bestimmtheit auf, die so 
leicht keinen Zweifel aufkommen läßt. 3 Der wissenschaftliche Charakter muß das 
1 Beispielsweise hat das Demavendgebirge in der persischen Provinz Masanderan nachweislich 
schon 31 verschiedene Höhenbestimmungen erfahren, deren niedrigste zu 4267 m auf Kotschy und 
deren höchste zu 6636 m auf Brugsch, Minutou und Nicolas zurückführen. Vgl. O. Lorentzen: 
Die mittlere Höhe von Asien. Diss. Kiel 1906, S. 167—169. 
2 Was C. Vogel schon vor Jahren schrieb, gilt gleichfalls heute noch Wort für Wort: „Unsere 
kartographische Kenntnis der Erde ist trotz der mit jedem Jahre sich mehrenden Vermessungen und 
Entdeckungsreisen zu Lande und zu Wasser eine weit geringere als man gewöhnlich annimmt. Dadurch, 
daß wir gewohnt sind, auf unsem Karten so ziemlich alle Länder der Erde in gleichmäßiger Ausführung 
zu sehen, werden wir unwillkürlich veranlaßt, auch alle gleichmäßig in bezug auf Genauigkeit und 
Vollständigkeit zu beurteilen. Und doch wäre nichts falscher als das.“ 
3 Darum sind die Irrtümer der Karte so gefährlich, wie sich leicht bei einem Gang durch die 
Geschichte der Entdeckungen verfolgen läßt. Beim vorwärtsschauenden Blick wird die Kluft zwischen 
Darstellung und absoluter Wahrheit immer kleiner, beim retrospektiven immer größer.
	        
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