62
Die Kartographie als Wissenschaft.
Auf den deutschen offiziellen Karten hat die Datierung verhältnismäßig spät an
gefangen. 1
Die Autorenangabe hält man gleichfalls für etwas Selbstverständliches. Aber
anch sie hat Jahrhunderte gebraucht, bevor sie als etwas allgemein Gepflegtes durch
gedrungen ist. Unter den 103 Karten des ersten Atlas von Blaeu „Appendix Theatri
Ortelii et Atlantis Mercatoris“ aus dem Jahre 1681 tragen nur 27 den Autornamen
und gar nur 7 die Jahreszahl. Etwas besser ist die Autoren-und Quellenangabe auf
den Karten im „Atlas contractus“ aus der Mitte des 17. Jahrhunderts von
J. Janssonius. Auf einigen neuen Karten, die die Homannsehen Erben heraus
gegeben hatten 1 2 , werden die Namen der Zeichner erwähnt und teilweise die benutzten
Quellen angegeben. J. Chr. Adelung rühmt als etwas Besonderes bei der Be
sprechung einer Karte „das aufrichtige und bei Kartenhändlern so seltene Bekenntnis
der Quelle.“ 3 Daß eine besondere Quellenangabe auf Spezial-und verwandten Karten
erfolgen müsse, war sogar ein Antrag von J. de Schokalsky auf dem VII. Inter
nationalen Geographen-Kongreß in Berlin 1899. 4
Erwähnenswert im Gange unserer Untersuchung ist auch die Einrichtung der
Namen-Indizes bei den Atlanten. Mercator gab den einzelnen Blättern seines Atlas
und andern wichtigen Karten ein Namenverzeichnis bei. Diese Sitte wurde haupt
sächlich in Frankreich und England weiter gepflegt. Die Methode, die Karte in bestimmte
Gebiete einzuteilen, um die Namen schnell zu finden, scheint zum ersten Male in Bayern
im 17. Jahrhundert auf den Karten von G. Ph. Fink h angewendet worden zu sein. 5 Der
erste moderne Atlas, der mit einem vollständigen alphabetischen Namenregister ver
sehen war, ist Johnstons’ Royal atlas of modern geography, London 1855. Die bei
gegebene gedruckte Liste mit etwa 150000 alphabetisch geordneten Namen weist auf
die Quadrate hin, in denen die Orte aufgefunden werden. Dieser sehr zweckmäßige
Modus der englischen Atlanten fand erst nach einem Menschenalter in den deutschen
Atlanten Nachahmung. In Schulatlanten ist der erste nennenswerte Versuch durch
H. Haack in seinem Oberstufenatlas (1918) gemacht worden, nachdem auch hierin
die Engländer schon längst dazu das Muster gegeben hatten. 6 Bei Einzelkarten ist
1 Auf den Blättern der Topographischen Karte des Preußischen Staates 1 : 80000, die ich auf
der Göttinger Universitätsbibliothek einsah, f jaden sich von Nr. 8 an Jahreszahlen, 1843—1854, auf
einzelnen Kartenblättem.
2 Zu den neuen Karten gehören auch Spezialkarten, so z. B. die Charte von den zu dem
Pegnitzkreise gehörigen Landgerichten Nürnberg, Altdorf, Hersbruck, Schnaittach, Gräfenberg und
dem größten Teil des Landgerichts Schwabach. 1809. [Nürnberger Stadtbibliothek].
3 Job. Chr. Adelung: Kritisches Verzeichnis der Landkarten und vornehmsten topographi
schen Blätter der Chur- und Fürstlich- Sächs. Lande. Meißen 1796, S. 29.
4 Was man da forderte (Verh. I. Berlin 1901, S. 96 und 97), wurde schon längst von der
deutschen Kolonialkartographie befolgt, die z. B. der Karte von Deutsch-Ostafrika 1 : 300000 bei
iedem einzelnen Blatte eine ausführliche Legende beifügte, worin das grundlegende Routenmaterial
mitgeteilt wurde. Die Kolonialkarten anderer Länder können sich in dieser Sorgfalt nicht mit den
deutschen messen.
5 Und zwar für die verkleinerten Landtafeln Apians in 1 : 265 000 (ca.) mit Hinzufügung der
Oberpfalz, Augsburg 1684. — Vgl. auch H. Lutz: Zur Geschichte der Kartographie in Bayern.
Jahresb. der Geogr. Gesellsch. in München 1886. München 1887, S. 97.
6 Desgleichen sind bei J. Perthes auch die Taschenatlanten, „Atlas antiquus“ und „Taschen
atlas vom Deutschen Reich“ mit Namenverzeichnissen ausgestattet, leider nicht der gewöhnliche
Taschenatlas. Dessen italienische Nachahmung, der „Atlante geografico tascabile“ von G. deAgostini,
Rom 1902, ist gleich mit einem solchen Verzeichnis erschienen, desgl. Philips’ Handy-volume atlas
of the world, by E. G. Ravenstein, London s. a.