Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

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Die Kartographie als Wissenschaft. 
Nicht vergessen sei das Handbuch, das sich an einen Handatlas anzulehnen 
sucht. Schulgeographische Werke haben es im allgemeinen nicht schwer, ihren Inhalt 
mit dem Karteninhalt irgendeines passenden Atlas in Einklang zu bringen. Aber 
auch hier kann es Schwierigkeiten geben. H. Wagners Lehrbuch der Geographie 
wollte ursprünglich wohl kaum über den Inhalt des Methodischen Schulatlas wesentlich 
hinausgelien. Dem Inhalt der Neuauflagen des Lehrbuchs kann jedoch der Wagnersche 
Atlas nicht mehr genügen. Weit schwieriger wird die Sache für größere Handbücher, 
die lediglich auf einen Atlas Rücksicht nehmen sollen. A. Scobels Geographisches 
Handbuch 1 , das ursprünglich in engster Anlehnung an Andre es Handatlas gedacht 
war, wuchs schon bei der Bearbeitung über den Rahmen dessen hinaus, wozu es ur 
sprünglich bestimmt war. Die vielen Mitarbeiter hielten es gar nicht für nötig, sich 
streng an den Andreeschen Handatlas zu halten, was man im Interesse des Ganzen 
bedauern muß. So hat Scobels Handbuch eine Selbständigkeit erlangt, die seine Be 
nutzung vollständig ohne Andrees Handatlas, d.h. mit jedem andern Handatlas erlaubt. 
Wir verkennen durchaus nicht, daß ein derartig sich eng an einen bestimmten Hand 
atlas anschließendes Handbuch der Bearbeitung außerordentliche Schwierigkeiten bietet. 
Vor allem müßte es bloß einen Autor haben. Die Idee eines besondern Handbuchs 
zum Handatlas ist schon sehr alt. In den Vorbemerkungen und Erläuterungen zu 
Stielers Handatlas vom Jahre 1828 lesen wir, daß die Herausgabe eines auf den Atlas 
sich beziehenden geographischen Handbuchs beabsichtigt sei. Und bei dieser Absicht 
ist es geblieben, nie ist ein Handbuch zu dem großen Stieler geschrieben worden. 
Einen schwachen Abglanz der Idee der Vereinigung von Karte und Buch kann 
man schließlich in den großen geographischen Handbüchern erblicken, die ihren Text 
mit einer auffällig reichen Anzahl kleiner Indexkärtchen, die sich auf Stadtpläne, 
Häfen, Küsten, Flußläufe, Deltas, Gebirgsstöcke usw. beziehen, ausgerüstet haben, 
also ein ganzes Arsenal von Typenkarten vereinigen, wie wir es in Elisée Reclus’ Nou 
velle Géographie finden oder in verkleinertem Maße in A. Hettners Grundzügen der 
Länderkunde. 
Für die geographische Disziplin sind Karte und Buch (= beschreibende Geo 
graphie) ebensowohl koordiniert wie korrelativ. Karte und Buch gehören zueinander 
wie Auge und Ohr. A. v. Humboldt hatte dasselbe im Sinn, als er zwischen bestim 
mender Behandlung geographischen Wissens, deren Ergebnisse in Globus und Karte 
niedergelegt sind, und beschreibender, die Länder und Völker schildert, unterschied. 
„Es liegt in der Natur der Geographie, daß sie sich gleichmäßig auf Text und Karte 
stützt.“ 1 2 
Die Karte hat dem Buch gegenüber den Vorzug voraus, durch ihre Zeichen besser 
als das bloße Wort Raumvorstellungen wecken und bilden zu können. Es wird sogar 
behauptet, daß die Karte .direkt den Raum ausdrücke, Raum vorstelle. 3 Dabei wird 
logisch nicht scharf Raum von Fläche geschieden. Aber innerhalb der Dimensionen 
der Fläche ist es der Karte möglich, Erscheinungen und Beziehungen im geographischen 
Raum zu veranschaulichen oder wenigstens anzudeuten. 
Bringt das Buch Höhenzahlen, kann ich mir darunter gar nichts vorstellen, wenn 
ich nicht zum Vergleich an mir bekannte Höhen denke. Aber auch die Karte gibt mit 
1 A. Scobel: Geographisches Handbuch. Allg. Erdkunde, Länderkunde und Wirtschafts 
geographie. 5. Aufl. Bielefeld und Leipzig. I. 1909. II. 1910. 
2 Fr. Ratzel: Die Lage im Mittelpunkt des geographischen L T nterrichts. G. Z. 1900, S. 26. 
3 S. Mehedinti: Über die kartographische Induktion. Diss. Leipzig 1899, S. 14, 15.
	        
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