Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

Die Bedeutung der Karte. 
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durch das Bild zu ergänzen. Das Verständnis der Karte läßt sich durch treffliche, die 
Natur getreu wiedergebende Bilder ungemein fördern. Dabei sind soviel wie möglich 
nur Typenbilder zu verwenden; denn um all die verschiedenen Landschaften (Land 
schaftsbegriff im begrenzten Sinne), die oft ein einziges Meßtischblatt vereint, durch 
Bilder zu veranschaulichen, bedarf es unzähliger Abbildungen. Das Bild hat immer etwas 
Begrenztes, selbst wenn wir an das Panorama denken. Es ist im Gegensatz zu dem 
Grundriß der Karte ein Aufriß. Das beste Aufrißbild ist und bleibt das naturgetreue 
Relief; denn es gibt die ganze und allseitig wahrnehmbare Form und beliebig viele 
Ansichten zugleich und „ersetzt die Karte samt zahllosen Ansichten.“ 1 
Das Bild wird gern gebraucht, um in das Verständnis der Karte und ihrer Zeichen 
einzuführen. In neuern Schulatlanten kommt diese Methode vielfach zum Ausdruck. 
Es müssen aber dann auch wirklich der Natur entnommene Bilder herangezogen werden 
und nicht solche idealisierte Bilder, die auf einem scheinbar natürlichen Terrainkomplex 
allen möglichen geographischen Begriffen nachjagen. * 1 2 Die Natur ist wahr und wir 
sollen sie durch derartige Machwerke nicht verschandeln. 
Das Verfahren, die Karte durch das Bild zu ergänzen, ist einige Jahrhunderte 
alt und geht zurück auf die alten Kosmographien und verschiedene Einzelkarten des 
16. Jahrhunderts 3 ; denn in den Randbildern und einigen Parerga der alten Landkarten 
und in den Vertoonungen der Seekarten des 16. und der folgenden Jahrhunderte können 
wir die Vorläufer unserer heutigen charakteristischen Landschaftsbilder erblicken, die 
in das Verständnis der Karte einführen wollen. Mit dem Verschwinden der Randbilder 
wurde das Verhältnis zwischen Karte und Bild immer lockerer, um erst in der Mitte 
des 19. Jahrhunderts einen neuen Anstoß zu erhalten 4 , aber erst gegen Ende des Jahr 
hunderts zu neuem triebkräftigem Leben zu erstehen. Nur darf es nicht zu populär 
wissenschaftlichen Bilderbüchern ausarten, wie sie noch vor dem Weltkriege mit viel 
Reklame an die Öffentlichkeit gebracht wurden. Als Neues wurde da in Deutschland 
die Beigabe von Bildertafeln mit landschaftlichen Darstellungen in Volksschulatlanten 
angepriesen. Aber auch dies ist nur eine Auffrischung älterer französischer und 
englischer Versuche. 5 
weiterzuspinnen, unter denen die wichtigste Eine Gasse für die Anschauung im Geographieunterricht 
(Bayr. Z. f. Realschulwesen. XV. München 1894) ist. 
1 A. Heim: Spezialbericht über „Relief“ in dem Bericht über die Schweizer Landesaus 
stellung Zürich 1883. Zürich 1884, S. 19. 
2 Derartige Idealbilder erinnern mich an einen alten Kupferstich, der während der Messen 
zu meiner Studentenzeit in Leipzig noch zu kaufen war, und der an einem einzigen Pferdeexemplar 
100 und mehr äußerliche Krankheiten zeigte. — Nur ausnahmsweise kann einem Idealbild Gerechtig 
keit widerfahren, wie z. B. dem bekannten Gletscherbild von Fr. Simony. 
3 Unter den unzähligen Karten dieser Art sei nur auf eine hingewiesen: Nova descrittione 
d’Italia di Gio. Anton. Magino. Amsterdam 1617. Das Meer ist mit Schiffen und Neptungestalten 
ausgefüllt. Auf der Karte ringsherum Bilder: links und rechts Volkstrachtenbilder, unten Städte 
bilder, um das Ganze herumlaufend eine Beschreibung von Italien. 
4 In den ältesten Jahrgängen von Petermanns Mitteilungen, 1858 und 1859, sind Beispiele 
an einer Insel und einem Vulkan von Th. Kotschy gegeben. P. M. 1858, T. 1 die Insel St. Paul 
und P. M. 1859, T. 4 der Vulkan Demavend. 
5 In Frankreich ist es eine landesübliche Sitte, Schulatlanten mit Landschafts- und Volks 
typenbildern zu bespicken. In England ist ein bekannter Atlas dieser Art Longmans New atlas, hg. 
von J. G. Chisholm, London 1889. A. Supan bemerkt ganz richtig hierzu „ob sie — die Bilder 
tafeln — sich in dem Maße, als sie das Werk verteuern, auch nützlich erweisen werden, ist freilich 
eine andere Frage“. P. M. 1889, LB. S. 105.
	        
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