Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

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Die Kartographie als» Wissenschaft. 
Unternehmungen an, besonders, nachdem man neben dem schrankenlosen Weltmeer 
doch ein jenseitiges Ufer des Atlantischen Ozeans gefunden hatte. „Von nun an war 
das Werk der Entdeckung nicht mehr dem Zufall unterworfen, sondern es ward zu 
einer Kunst und Wissenschaft.“ 1 Die Karten und die geographische Darstellungs 
weise wurden wesentlich verbessert (A. v. Humboldt). 1 2 
Jedes wissenschaftliche Problem bürgt in sich außer dem Reiz zur Forschung 
das Lustgefühl beim glücklichen Gelingen der Lösung. 3 So auch die Karte. Das Lust 
gefühl insofern, als es durch die — teilweise — Erfüllung des Reizes nach Erforschung 
von Unbekanntem unserer Muttererde erzeugt wird, und der Reiz insofern, als er immer 
wieder zu neuer Arbeit hindrängt. Solange noch ein menschliches Lebewesen den 
Erdball bevölkert, solange wird der kartographischen Arbeit kein Ende sein. Aber 
nicht bloß die Kartenherstellung und -Vervollständigung hat etwas Reizvolles, sondern 
auch das Beschauen der Karte. Goethe erzählt uns von einem Gutsherrn, der die 
neu aufgenommene Karte seines Besitztums betrachtet, daß dieser „seine Besitzungen 
auf das deutlichste aus dem Papier wie eine neue Schöpfung hervorwachsen sah. Er 
glaubte sie jetzt erst kennen zu lernen; sie schienen ihm jetzt erst recht zu gehören“. 4 
2(>. Die Bedeutung der Karte für die geographische Wissenschaft im besondern. 
Wenn die Karte der Niederschlag des geographischen Wissens einer Zeitperiode sein 
soll, ist sie direkt als ein Kulturmaßstab für die betreffende Zeit anzusprechen. 5 
Dabei ist, wie die Erörterung der historischen Methode in der wissenschaftlichen Karto 
graphie gezeigt hat, der ganze Kulturzustand einer Periode ins Auge zu fassen, damit 
ein richtiges Urteil gewonnen werden kann. Sehen wir uns nach der kulturellen Höhe 
der europäischen Karten um, denn um diese handelt es sich in der Hauptsache, so 
dürfen wir mit Ausschluß der Portulankarten vor den Zeiten des 15. Jahrhunderts 
kaum anfangen, die Wissenschaftlichkeit der Karten einzuschätzen; denn die Produkte 
zur Blütezeit der mönchischen Wissenschaft sind kulturhistorisch wohl interessant, 
wissenschaftlich jedoch minderwertig, daß sie nicht einmal einen Vergleich mit den 
durch ein gewisses Zeichentalent, Orientierungsvermögen und Schätzungsgabe aus 
gezeichneten kartographischen Erzeugnissen von Naturvölkern, wie Eskimos, Poly 
nesiern u. a. aushalten. Mit dem Wiedererwachen des Ptolemäus wurde es besser, 
wenn er auch die Emanzipation vom Althergebrachten nicht so befördert hat, wie man 
allgemein annimmt. Die erste gedruckte, allerdings von Ptolemäus noch stark 
beeinflußte Originalkarte von Deutschland bzw. Mitteleuropa, tritt uns 1491 
in der Karte Germania von Nicolaus Cusanus entgegen. 6 Von Hartmann Schedels 
Weltkarte, 1493, und dessen Holzschnittkarte von Deutschland, in der „Nürnberger 
Chronik“ von 1493, sagt W. Wolkenhauer, sie zeige, „was zur Zeit der ersten Ent 
deckungen in der Neuen Welt der Durchschnitt der Gelehrten und Gebildeten im Gebiete 
1 K. Ritter: Geschichte der Erdkunde und der Entdeckungen. Vorlesungen. Hg. v. H. A. 
Daniel. 2. Aufl. Berlin 1880, S. 238. 
2 A. v. Humboldt: Kritische Untersuchungen. (Übers, v. J. L. Ideler). I. Berlin 1852. S. 27. 
3 Von dieser Kunstfreude bei der Herausgestaltung der Karte eines problematischen Gebietet 
spricht Er. Ratzel in seinem Nekrolog über Bruno Hassenstein. P. M. 1902, S. 5. 
4 W. v. Goethe: Die Wahlverwandtschaften. Berlin, G. Hempel. 15. Teil, S. 40. 
5 E. Friedrich, a. a. O., S. 6. 
6 A. E. v. Nordenskiöld: Periplus. Stockholm 1897, S. 85. — Vgl. weitere Literatur bei 
W. Wolkenhauer im Leitfaden z. Gesch. der Kartographie. Breslau 1895.
	        
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