Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

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Die Kartographie als Wissenschaft. 
könnte fast von einem Zwang reden, weiß Theobald Tischer in den Bemerkungen 
zur Karte der Verbreitung des Ölbaums zu berichten. 1 
Ein gutes Kartenbild regt außerordentlich zum Nachdenken an. Welche Schlüsse 
kann man für die Verbreitung der Deltas und der Niveauveränderung ozeanischer 
Küstenstriche aus B. Credners Karten 1 2 direkt folgern, welche Beziehungen zwischen 
Klima und Industrie werden sofort durch die Karten über die Verbreitung der Wind- 
und Wassermotoren von 0. Krümmel klar 3 , welche kulturellen Wertschätzungen 
für die einzelnen Erdgebiete fließen aus einer Karte, wie der von H. Wagner 4 über 
die Länder, in denen wirkliche Volkszählungen stattgefunden haben; welch richtige 
Verkehrsbedeutung erwächst den einzelnen Ozeanen, wenn die Seeverkehrswege die 
wirkliche Größe der Güter-(Tonnen-)bewegung zu veranschaulichen vermögen. 5 
Wo wir auch die Untersuchung über den Zweck der Karte und ihre Bedeutung 
für die geographische Wissenschaft anschneiden, überall zeigt sich, daß sie die konzen 
trierteste Zusammenfassung des geographischen Wissens ist. 6 Nicht allein die Massen- 
haftigkeit und der vielseitige hohe Wert des topographischen Wissens für die Geo 
graphie, auch für andere Wissenschaften und viele praktische Bedürfnisse und die 
vielen physisch-geographischen und kultur-geographischen Erkenntnisse drängen ge 
radezu zur Aufspeicherung in der Karte, der besten, weil anschaulichsten und für die 
verschiedenste Verwendung bequemsten Form. 7 Und B. Lehmann frägt: „Wo gibt’ 
es irgendein anderes Hilfsmittel zur Darstellung menschlichen Wissens, das auch nur 
entfernt in ähnlichem Maße auf so kleinem Baume und dabei doch in völliger Klarheit 
eine solche Fülle von Tatsachen mitzuteilen und soviel von sehr verschiedenartiger 
Auskunft zu geben vermöchte?“ 8 
27. Die Bedeutung der Karte fürs praktische lieben. Neben der wissenschaftlichen 
hat die Karte eine eminent praktische Bedeutung. Aus den Beihen der Praktiker er 
scholl in neuerer Zeit der Buf, großmaßstabigere Karten als die Meßtischblätter 1: 25 000 
herzustellen. Die Eisenbahn- und Straßenbauingenieure können ihre Arbeiten eigentlich 
nur mit Karten in 1: 1000 bis 1: 5000 beginnen, desgleichen der Wasserbauingenieur, 
der alte und neue Flußbetten reguliert, Kanäle aushebt und Talsperren baut. Der 
Forstmann und der Agrikulturtechniker können ohne Karte nicht mehr existieren. 
Die neueste Zeit stellt Forderungen an die Karte, an die vor kurzer Frist noch kaum 
gedacht wurde. Die Landesaufnahmen haben den neuen erhöhten Pulsschlag gefühlt 
1 Th. Fischer: Der Ölbaum. Seine geogr. Verbreitung, seine wirtschaftliche und kultur 
historische Bedeutung. Ergh. 147 zu P. M. Gotha 1904, S. 87: „Trotz meiner langen Vertrautheit mit 
der Mittelmeerwelt war ich selbst doch beim Einzeichnen überrascht, daß das Verbreitungsgebiet 
der Mediterranflora ein so beschränktes und dieselbe tatsächlich in solchem Maße Küstenflora ist. 
Damit tritt uns auch eine neue Seite des thermischen Einflusses klar vor Augen, den das Mittelmeer 
in dieser Richtung ausübt.“ 
2 R. Credner: Die Deltas, Ergh. 56 zu P. M. Gotha 1878. Taf. 2 und 3. 
3 O. Krümmel: Die geographische Verbreitung der Wind- und Wassermotoren im Deutschen 
Reiche. Mit 2 Karten. P. M. 1903. 
4 H. Wagners Karte in P. M. Ergh. 62. 1880. 
5 M. Eckert: Die Großmächte und der Großverkehr. Mit 1 Karte. Globus, 88. Bd. 1905. 
ö H. Eichfeld in Aus allen Weltteilen. X. 1879, S. 161. 
7 Obiger Satz stammt in seiner Grundgestalt von H. Fischer her (Die Beurteilung d. Landk., 
a. a. O., S. 2) und ist von mir nur nach der Seite der angewandten Karte erweitert worden. 
8 R. Lehmann: Die Einführung i. d. erdkundl. Wissenschaft. Leipzig 1921, S. 31.
	        
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