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Die See- und Meerkarte.
Delineatio chartae trium navigationum per Batavos ad Septentrionalem plagam in
Henricus Hondius „Navigatio ac itinerarium Johannis Hugonis Linscotani . . . .
Hagae-Comitis 1599" 1 und in dem gleichen Jahre eine Teilkarte von Ed. Wright in
der ersten Auflage der Certain errors in navigation und eine Weltkarte in Richard
Hakluyts „The principal navigations“, von der Nordenskiöld vermutet, daß sie eine
Arbeit von Ed. Wright sei. 1 2 Zweifellos hat auch die Teilkarte von 1599 Ed. Wright
zum Urheber. Sie stellt ein Gebiet des nordatlantischen Ozeans dar, von 36 4 / 5 bis
5*2 2 / 5 ° n. Br. und führt als Titel „The voyage of the right Honorable the Earle of
Cumberland to the Azores A. D. 1589“. 3 Wrights Karte, im Maßstab 1:5500000,
und die von Hondius bzw. Linscotanus, im Maßstab 1 : 3000000, geben, soweit die
ältere Kartenliteratur bis jetzt erschlossen ist, zum ersten Male einen Erdabschnitt,
nicht die ganze Erde, in Mercatorprojektion. Auf Hondius’ Karte erscheint das
Gebiet von Vorder-, Hinterindien und Insulinde. Im N reicht sie zum 37° und im S
bis zum 22 1 / 2 °. Die Karte ist insofern noch bemerkenswert, indem hier zum ersten
Male ein Maßstab für die wachsenden Breitenkreise gezeichnet ist. Auf der Mercator-
karte von 1569 fehlt diese Maßstabbezeichnung. Der Astronom und Geograph Maginus
behauptet wohl, daß in seiner Ptolemäusausgabe vom Jahre 1596 die Karte Universi
orbis descriptio ad usum navigantium in Mercatorprojektion entworfen sei, indessen
ist sie nur eine Marinusprojektion mit gleich großen Breiten. — Damit scheint die
Anzahl der Karten in Mercatorprojektion im 16. Jahrhundert ziemlich erschöpft zu
sein, wenn wir nicht die Weltkarte in M. Quads „Geographischem Handbuch“ vom
Jahre 1600 noch hierher rechnen wollen, eine Karte ohne jegliche Gradbezeichnung
mit dem Titel „Typus orbis terrarum, ad imitationem vniversalis Gerhardi Mercatoris“.
Allgemein ist die Ansicht verbreitet, daß im 17. und 18. Jahrhundert die Mer
catorprojektion nicht das Ansehen genoß, das sie verdiente, und mithin ihre An
wendung sehr beschränkt war. Indessen stimmt dies nicht, man kann durchaus
nicht mit M. Groll von ihrer ausnahmsweisen Benutzung sprechen 4 , auch nur bedingt
mit H. Wagner, „daß die 1569 zuerst im konkreten erfundene Seekartenprojektion
fast 2 1 / 2 Jahrhunderte gebraucht hat, um sich in der Nautik allgemeine Geltung zu
verschaffen“. 5 Wenn sie zunächst nicht so zur Geltung kam, wie angenommen wird,
lag die Schuld an dem Stande der nautischen Kartographie jener Zeiten. Diese wurde
in der Hauptsache beherrscht von den gewaltigen Kartenwerken eines Waghenaers
und eines van Keulens. Deren große Atlanten hatten eine weite Verbreitung und
einen großen Verbraucher kreis gefunden. In ihnen sucht man vergeblich nach einer
Mercatorprojektion. \\ ohl aber tritt sie am Anfang des Jahrhunderts in kleinen
Atlanten auf, wie bei Coignet 1601, bei Levin Hulsius 1604. Die holländischen Karten
waren über die Plattkartenprojektion nicht hinausgekommen. Ihre Unzuverlässigkeit
kam bei der wachsenden Schiffahrt des 18. Jahrhunderts immer mehr zur Geltung,
was umgekehrt der Mercatorkarte zugute kommen mußte. In Joachim Nettelbecks
Lebensgeschichte (1738—1824) lesen wir: „In der Tat gehört auch die Schiffahrt in
1 Abgebildet in Nordenskiölds Facsimile-Atlas 1883, S. 97.
1 A. E. v. Nordenskiöld: Facsimile-Atlas, S. 96. Die Karte ist reproduziert im Facsimile-
Atlas T. L. — Vgl. ebenfalls die Reproduktion in A. H. Markham: The voyage and works of John
Davis. Hakluyt Soc., Vol. 59, mit Erläuterungen über die „New map“ von C. H. Coote, London 1880.
3 Reproduziert von H. Wagner in P. M. 1915, T. 56.
4 M. Groll: Kartenkunde II. Berlin u. Leipzig 1912, S. 87.
5 H. Wagner: Die Rätsel usw., a. a. 0„ S. 74.