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Die See- und Meerkarte.
wurde wesentlich unterstützt und gefördert durch die geographische Anstalt von
J. Perthes in Gotha, wo Adolf Stielers Handatlas bereits in der ersten Ausgabe von
1817—1828 mit einer Mercatorkarte auf den Plan trat, die späterhin durch Herrn.
Bergbaus’ Chart of the world eine weltweite Verbreitung und Benutzung finden sollte.
Wir können uns heute keinen Atlas, kaum noch einen Schulatlas, ohne Mercatorkarte
denken, geschweige denn Publikationen, die irgendein erdphysikalisches Problem, das
über die ganze Erde hin verfolgt wird, kartographisch illustrieren wollen, wiewohl
auch da des Guten zuviel getan und das Maß des Erlaubten überschritten worden
ist, wie ich an anderer Stelle nachgewiesen habe. 1
26. Die loxodromischen und orthodromischen Linien. Eng verknüpft mit der
Lösung der Mercatorprojektion ist die Aufhellung des Problems der Loxodromen.
Sind sie direkt nicht als ein Kartenelement aufzufassen, wie auch die Orthodromen,
haben doch beide auf die Konstruktion von Karten großen Einfluß gehabt, zum
wenigsten ein gut Teil zur Klärung des Kartenaufbaues beigetragen. Auf die mathe
matische Seite beider Liniensysteme können wir uns hier nicht einlassen, wie auch
auf die verschiedenen Definitionen der Linien, von denen z. B. die von G. Scheffers
ein neues beachtenswertes Moment in die Betrachtung einfügt, insofern er die Loxo
dromen als diejenigen Kurven bezeichnet, die alle Ebenen eines Ebenenbündels unter
konstantem Winkel durchsetzen. 1 2 Der Vorzug der neuen Definition ist, daß nach
ihr die Loxodromen nicht wie bei den sonst gebräuchlichen Definitionen als eine be
sondere Art von Flächenkurven, sondern als eine besondere Art von Raumkurven
erscheinen. Für uns ist indessen die historische Beleuchtung der Auffassung beider
Linien wichtiger, d. h. ihr Hineinwachsen in das Kartenbild als Konstruktions- bzw.
Gebrauchselement.
Mit der loxodromischen Linie wird der Weg eines Schiffes gezeigt, das denselben
Kurs hält, d. h. die Meridiane unter gleichem Winkel schneidet. Aus dem Kurse,
den der Schiffer gehalten, und dem Wege findet er, unter der Voraussetzung, daß
er Länge und Breite des Anfangspunktes weiß, die Länge und Breite des Endpunktes
seiner Reise und umgekehrt. Die Loxodrome ist nicht die kürzeste Verbindung zweier
Orte. Unter kürzester Verbindung versteht der Geograph die zwischen zwei Orten
verfolgte Richtung, die mit dem größten Kreis zusammenfällt. Der Nautiker be
zeichnet den Verfolg dieser Richtung bzw. Linie das Segeln im größten Kreise. Bei
einer Erde als vollkommene Kugel gedacht sind Äquator und Meridiane orthodromische
Linien, sie sind aber auch zugleich die Grenzfälle der loxodromischen; oder mit andern
W orten: Der T nterschied zwischen Loxodrome und Orthodrome wird immer kleiner,
je näher sie in die Richtung der Meridiane oder des Äquators fallen. 3 Die Loxodromen
treten noch in einem dritten Falle als Kreise auf, und zwar, wenn sie auf den Breiten
parallelen die Ost- oder Westrichtung verfolgen. Damit wird aber der Großkreis ver
lassen. Die unendlich große Schar der übrigen Loxodromen verfolgen schneckenförmige
Linien, wie Snellius bereits 1624 im „Tiphys Batavus“ sagt: „Loxodromia est linea
t,hxoEiöi]q in terreni globi superficie." Die Verfolgung des orthodromischen Kurses
1 M. Eckert: Die Kartenwissensehaft. I, S. 172, 173.
- G. Scheffers i. d. Ber. üb. d. Verh. der kgl. Sächsischen Ges. der Wiss. zu Leipzig, Math.-
phys. Klasse. LIV. 1902, S. 364.
3 Heinrich Florian: Astronomische Ortsbestimmung zur See ohne Rechnung u. Tafeln.
Mitt. aus d. Gebiete des Seewesens. Pola 1900, S. 347.