88
Die See und Meerkarte.
G. D. E. Weyer 1 , A. Wedemeyer. 1 2 Die Deutschen haben seither die Theorie gefördert.
Schon 1876 hatte Nees v. Esenbeck den Gebrauch von gnomonischen Karten vor
geschlagen und ihre Anwendung gezeigt. 3 Weyers Verbesserungsvorschläge für
gnomonische Karten sind von den Nordamerikanern bei der Neuherausgabe ihrer
Karten 1891 beherzigt worden. Des weitern sehen wir auf den Ausgaben der nord-
amerikanischen Karten bzw. in den Arbeiten von Littlehales und Herrle die An
wendung des Kunstgriffs, die Kurse auf der gnomonischen Karte aus einer kleinen
beigegebenen Azimuttafel zu bestimmen, den Deichmann 1856 zuerst gelehrt hatte.
Trotz allem haben die Nordamerikaner den Ruhm, die ersten brauchbaren gnomonischen
Seeschiffahrt karten herausgegeben zu haben. Außer nordamerikanischen Karten
dieser Art gibt es noch japanische und französische.
Auf einem andern, der Seeschiffahrt sehr verwandten Gebiet, nämlich auf dem
der Luft Schiffahrt, hat man neuerdings die gnomonische Projektion mit Erfolg an
gewandt. Allmählich erhält der Luftnautiker seine luftnautische Karte. Für die
Zeppelin- und verwandte Luftschiffe ist die Kenntnis der kürzesten Weges zwischen
zwei Orten von großer Bedeutung und nicht mehr wie im Anfänge der lenkbaren
Luftschiffe für deren „Zugstraßen“ die orographische Gestaltung des Landes. 4 Der
Weltkrieg hat Deutschland gnomonische Karten für die Zeppelinluftschiffe zeichnen
lassen. Ist die Mercatorprojektion die Projektion der Seekarte per se, so die gnomo
nische Projektion die Luftschiffahrtprojektion par excellence, was auch durch die
Ortungskarten bekräftigt wird. 5
Mit der Mercator- und der gnomonischen Projektion erschöpfen sich heute die
Seekartenprojektionen. Die Versuche mit stereographischen, also winkeltreuen Karten
wie sie Harris in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts zur Lösung sphärischer
Dreiecke anstellte, sind großenteils durch die Einführung der gnomonischen Pro
jektion überflüssig geworden. Indessen führen neuere Erörterungen wichtige Tat
sachen zur Einführung von stereographischen Netzen ins Feld, da sie in einigen Fällen
geeignet sind, den drei Forderungen an eine nautische Karte nachzukommen, indem
sie ermöglichen, die Distanz zu messen, den Kurs und den Ort (nach der Standlinien
methode in einfacher Weise) zu bestimmen. 6 Von den beiden jetzt üblichen See
kartenentwürfen wird sich der orthodromische sicher noch ein weiteres Betätigungs
feld erobern; denn auch auf Karten kleinerer Gebiete, wie der Neben- und Rand
meere, wird er Gutes leisten und weniger die Verzerrungen in die Augen springen
lassen als auf den weit ausgreifenden Ozeankarten. Augenblicklich scheint es so,
als ob mit den beiden nautischen Hauptprojektionen der Bedarf an Seekarten
projektionen gedeckt sei, als ob eine gewisse Entwicklung ihren Abschluß gefunden
hätte. Indessen wird die Entwicklung auch hier nicht Halt machen. In der Kom
position verschiedener Projektionen bzw. Projektionselemente wird künftig noch
1 G. D. E. Weyer, a. a. O.; ferner: Üb. eine neue Ausg. der amerik. Seekarten in gnomon.
Proj. f. d. Schiffahrt im größten Kreise. Ann. d. Hydrogr. usw. 1892, S. 185—190.
2 A. Wedemeyer: Der Gebrauch gnomonischer Karten in der Nautik. Ann. d. Hydrogr. usw.
1916, S. 600-607.
3 Zitiert bei A. Wedemeyer, a. a. O., S. 600.
4 Vgl. M. Eckert: Die Kartenwissenschaft. I, S. 289ff.
5 Üb. d. Ortungsk. s. Abschnitt üb. Verkehrskarte.
6 P. Riebesell: Die Benutzung von stereograph. Gradnetzen in der Nautik. Ann. d. Hydro
graphie usw. 1916, S. 283—285.