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Die See- und Meerkarte.
genugsam bezeugen, daß die Erforschung der Tiefen der Ozeane noch ein junger
wissenschaftlicher Betätigungszweig ist und die entsprechenden kartographischen
Bilder noch jünger sind. Vergessen wir jedoch nicht, daß die Tiefen der Ozeane schon
die bedeutendsten Geister des Altertums beschäftigt haben, wenn sie damals auch
noch keinen kartographischen Ausdruck gefunden haben. Die größten Tiefen wurden
teils zu 10 Stadien (Plutarch), teils zu 15 Stadien (Kleomedes) angenommen. 1 In
dessen blieb dies nur Schätzung bis auf Jahrhunderte, ja beinahe auf zwei Jahrtausende
hinaus. Noch 1845 schrieb A. v. Humboldt im Kosmos: „Die Tiefen der Ozeane
und des Luftmeeres sind uns beide unbekannt.“ 1 2 Deshalb kann es uns gar nicht
wundern, in Tr. Brommes Atlas zum Kosmos nichts von der Konfiguration des Meeres
bodens zu vernehmen und zu sehen, obwohl zu jener Zeit der Veröffentlichung, 1851,
eine ganze Anzahl von Tiefenmessungen Vorlagen.
Auch ohne Humboldt hat es sich die geographische Forschung und die nautische
Praxis nicht nehmen lassen, beizeiten sich selbst auf Grund weniger Lotungen ein
Bild von der Gestaltung des Meeresbodens zu geben. 1855 schrieb Aug. Petermann:
„Was dem Architekten der Grundriß seines Bauwerkes, dem Maler die Kontur seines
Gemäldes, das sind dem Geographen der neuern Zeit die Aufnahmen der Gestade
des Weltmeeres, — der Rahmen seines Bildes von der Erde, die Basis seiner For
schungen, Untersuchungen und Deduktionen Denn von ungleich größerer Be
deutung ist die genaue Kenntnis unterseeischer Bodenplastik gewisser Teile des Welt
meeres, als es die topographische Zeichnung des Terrains der sichtbaren Erdoberfläche
ist. Ein paar falsch angegebene Lottiefen, und das Schiff ist dahin mit Mann und
Maus.“ 3 Die Erkenntnis dieser praktischen Bedeutung geht ins 18. Jahrhundert
zurück und führte zur Konstruktion der ersten Schichtlinien- bzw. Isobathenkarten.
Die Karte des Marwedeflußbettes von N. S. Cruquius aus dem Jahre 1730 ist die
erste Küstenkarte und die des Ärmelkanals von Ph. Buache aus dem Jahre 1757 bzw.
1737 ist die erste Übersichtskarte mit Isobathen 4 . Bei diesen Erstlingen blieb es
vorderhand. Ein volles Jahrhundert mußte seit Cruquius’ Karte vergehen, bevor
man sich zu ähnlichen Leistungen emporschwang, einmal in Europa zur Darstellung
größerer Meeresgebiete und sodann auf amerikanischer Seite mehr zur Herstellung
von Plänen und Küstenkarten. 1820 gab R. Stevenson eine Übersicht der Tiefen
verhältnisse der Nordsee heraus. 5 Nach ihm beschäftigten sich mit der Wiedergabe
der Tiefenverhältnisse der Nordsee oder Teilen derselben vor allem Whewell und
Lubbock 6 , sodann Scott Russell. 7 Die Russen folgten 1834 nach.
Als die erfreulichen Bestrebungen, ozeanische Schichtkarten herzustellen, um
die Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzten, sehen wir bereits die private Kartographie
1 A. v. Humboldt: Kleinere Schriften. Stuttgart u. Tübingen I, 1853. S. 445, 446. —
O. Krümmel: Handb., a. a. 0. I, S. 68, 69. — H. Berger: Gesch. der wiss. Erdk. der Griechen.
Leipzig 1903, S. 287.
2 A. v. Humboldt: Kosmos. Stuttgart u. Tübingen. I, 1845, S. 320, 321.
3 Aug. Petermann: Die hydrographischen Arbeiten der britischen Admiralität i. J. 1853.
P. M. 1855, S. 71.
4 Vgl. M. Eckert: Die Kartenwissenschaft. I, S. 438.
5 Philosophical journal. III. Edinburgh 1820. In Deutschland bekannt geworden durch
Berghaus’ Kritischen Wegweiser. V. 1833, S. 321 ff. nebst Karte.
6 In der 2. Abteilung von Berghaus’ Phys. Atlas, in der Hydrographie, Karte 2, finden wir
den Boden des Deutschen Meeres nach Whewell u. Lubbock wiedergegeben. 2. Aufl. Gotha 1849.
7 In der ersten Auflage von Johnston’s Physical atlas. Edinburgh u. London 1850.