Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

Die physischen Meerkarten. 
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sich von der offiziellen scheiden. Hier wurde die anschaulichere Darstellung der 
Küstenverhältnisse (der Ankerverhältnisse) tonangebend, dort strebte man auf ein 
Allgemeinbild der ozeanischen Bodengestalt hin; hier gab das Bedürfnis der nautischen 
Kreise den Ausschlag, dort der Forschungstrieb des Geographen; und da tritt 
H. Kieperts Karte des Bosporus aus dem Jahre 1858 auf den Plan, die wohl als 
erste die Meeresschichten in stufenweisen Farbtönen veranschaulichte. In der Schweiz 
hatte sich von 1853 an Dengler um die Auslotungen verschiedener Schweizer Seen 
bemüht. 1 Seine Arbeiten dürften nicht ohne Einfluß auf J. M. Zieglers Arbeiten 
gewesen sein, der in seinem Hypsometrischen Atlas, Winterthur 1856, die Hypso 
metrie des Landes auch auf den Meeresboden übertrug. 1 2 
J. Perthes’ Institut in Gotha wurde die Pflegstätte, wo die ozeanische Tiefen 
karte auf Jahrzehnte hinaus ihre höchste zeitgemäße Vollendung fand, namentlich 
durch die rastlose Bemühung eines Aug. Petermann. In der 27. Lieferung, 1864, 
der neuen Ausgabe von Stielers Handatlas erschien die von Petermann selbst be 
arbeitete neue Karte von den Britischen Inseln und dem umliegenden Meere in 
1 : 3700000, die zum ersten Male die Spezialtopographie des Seebodens von Nord 
westeuropa brachte. 3 Das schon ansehnlich angeschwollene Material aller bisherigen 
Tiefenmessungen wurde sorgfältig verarbeitet und das Ergebnis in gleichabständigen 
Tiefenlinien von 10 zu 10 Faden bis zur Tiefe von 100 Faden festgelegt. Einzelne 
Zahlen helfen noch dieses und jenes besser hervorheben, damit für alle allgemeinen 
Zwecke, wie Petermann selbst sagt, eine hinreichende Detailanschauung erzielt wird. 
Die so gewonnenen 12 Tiefenschichten wurden durch die zwölffache Schattierung 
einer Farbe übersichtlich gestaltet. Es war die erste gelungene unterseeische Schicht 
karte eines großem Seegebietes, wie es eben die geographische Wissenschaft verlangte. 
Seit dieser Zeit blieb Stielers Handatlas tonangebend, und mit jeder Neuauflage war 
ein Meeresgebiet mehr für die unterseeische Schichtdarstellung erobert. 1872 war 
es der Atlantische Ozean, der die Seetiefen in Schichten brachte; die andern Ozeane 
folgten. Für jene Zeit war die Karte der atlantischen Tiefen eine hohe wissenschaft 
liche Tat, die um so mehr dankbar empfunden wurde, als man damals anfing, die 
Telegraphenlinien durch die Weltmeere zu legen. Eine Musterleistung älterii Datums 
ist auch die Karte der Tiefenverhältnisse des europäischen Nordmeers, die nach Beob 
achtungen der norwegischen Nordmeerexpedition von H. Mohn 1879 bearbeitet und 
gezeichnet wurde. 4 Die Weltkarte mit den Seetiefen in Bergbaus’ Physikalischem 
Atlas vom Jahre 1891 ist ein wenig zu summarisch verfahren und entbehrt jeglicher 
Bezeichnung. Dem Stielerschen Atlas sind mit der Zeit die andern großen und be 
deutendem Handatlanten des In- und Auslandes gefolgt. Bis zum Volksschulatlas 
hinab ist diese Art Darstellung den physikalischen Karten treu geblieben. Doch 
begnügt man sich in den kleinen Atlanten mit der besondern Hervorhebung der 200 m- 
Schicht, also der Schelffläche, ein Verfahren, das uns gleichfalls bei den physikalischen 
Wandkarten entgegentritt. Auf großem Übersichtskarten der Kontinente und um 
schließender Meere ist es üblich, die Tiefen (außer der Schelffläche) in 1000 m-Stufen 
zu zerlegen. 
1 Verhandlungen der Schweizerischen naturforschenden Oes. bei ihrer 51. Jahresversammlg. 
in Rheinfelden. Jahresber. 1867, S. 163. 
2 M. Eckert: Die Karten Wissenschaft. I, S. 93, 94. 
3 Dazu Text von Aug. Petermann i. P. M. 1864, S. 15—21. 
4 H. Mohn i. P. M. Ergh. 1881, T. 1.
	        
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