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Die See- und Meerkarte.
29. Die offiziellen Tiefenkarten, Fast zur selben Zeit, als sich die kartographische
Privatindustrie regte, Meereskarten herzustellen, um das ozeanographische und geo
graphische Bedürfnis zu befriedigen, begegnen uns die ersten Versuche, offizielle
Übersichtskarten zu schaffen und die offiziellen Seekarten zu verbessern. Die älteste
amtliche Übersichtskarte mit Tiefenstufen führt uns zum Nordatlantischen Ozean; sie
wurde 1854 von M. F. Maury herausgegeben. Auf ihr wurden durch mehr oder minder
dichte Punktur Stufen von Tausend zu Tausend Faden zum Ausdruck gebracht. 1 Aus den
Myriaden von Tiefenzahlen, die trotz großer Auswahl immer noch das Seekartenbild
bevölkern, bestimmte Höhenstufen ohne weiteres herauszusehen, dürfte keinem mensch
lichen Auge beschieden sein. Und gerade die moderne Seekarte mit ihren schier
zahllosen Höhen- bzw. Tiefenzahlen führt nach K. Keilhacks Ansicht ad absurdum, daß
,,durch einige Hundert Höhenangaben eine gewisse Plastik des Gesamtbildes“ herbei
geführt wird. 1 2 Hie und da läßt eine fein gerissene Linie wohl die 5 m-, 10 m-, 20 m-
usw. -Tiefe erkennen, aber anschaulich wirkt die Abstufung nicht. Da muß schon
die Farbe zu Rate gezogen werden. Das scheint man zuerst in österreichischen Marine
kreisen nachhaltiger empfunden zu haben, wo in einer Abhandlung vom Jahre 1858
Heinr. v. Littrow die wissenschaftliche und künstlerische Seite der Darstellung
submariner Gegenden durch „Isobathen“ beleuchtet (S. 45). 3 Darin wird ebenfalls
bemerkt, daß in Österreich zuerst der Feldzeugmeister v. Hauslab mit der Anfertigung
derartiger Tiefenkurvenkarten vorzugehen begann. Zunächst wurden unter Littrows
Leitung einige Hafenpläne angefertigt, so von der Bocche di Cattaro in der Bucht
von Topla im Maßstab von 1 Zoll auf 1 Klafter, die die großen Vorteile der Tiefen
darstellung mittelst isobather Schichten verschiedener Töne derselben Farbe klar
vor Augen führte. „Isobathe Seekarten“ (,,Carte isobate“) wurden die neuen See
karten genannt. Um das Fahrwasser und die Formation des Grundes dem Seemann
klar zu machen, genügen nach Littrow drei Farbtöne: der erste lichte Ton von 0 bis
15 Fuß (0—3 Faden), der zweite dunklere von 15—50 Fuß (3—10 Faden) und der
dunkelste von 50—100 Fuß (10—20 Faden), während die übrigen fortlaufenden
„regelmäßigen“ Tiefen von über 100 Fuß nur stellenweise durch Ziffern zu bezeichnen
sind. Die Abstufung war unter dem Blickpunkt der Fahrtechnik geschaffen worden.
Die erste Stufe (15 Fuß) war die Grenze für beinahe alle Fahrzeuge, die zweite (50 Fuß)
der Ankergrund für alle Gattungen von Schiffen seinerzeit, vom größten Linienschiff
bis zum kleinsten Schooner oder Küstenfahrzeug, die dritte Stufe (100 Fuß) als die
äußerste Grenze eines verwendbaren Ankergrundes, da niemand, wenn nicht von
den Umständen gezwungen, den Anker in tiefem Grund fallen läßt. Doch nicht sofort
sah man das Gute der Littrowschen Manier ein, und er schrieb selbst: „Wie alles
Neue, hat auch diese veränderte, vereinfachte Darstellung des Meeresgrundes sich
ihre Anerkennung mühsam erkämpfen müssen. Man fand die frühere Darstellung
einfacher, weil man daran gewöhnt war, und weil die meisten Menschen einen gewissen
Abscheu fühlen, wenn es sich darum handelt, etwas Neues zu lernen. Die Fachmänner,
1 Vgl. die Reproduktion der Mauryschen Karte bei G. Schott: Geogr. des Atl. Oz., Hamburg
1912, S. 28.
2 K. Keilhack bei Gelegenheit einer langem Besprechung der Geological map of Iceland
von Th. Thoroddsen. P. M. 1902. L. B. Nr. 275, S. 84.
2 Enr. de Littrow: Sülle carte idrografiche e sulla rappresentazione del fondo del mare
mediante linee isobate od in plastica. Riv. marit. XII, S. 191 ff. — Über Seekarten neuerer Art u.
über die Darstellung des Meeresgrundes.