Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

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Die See- und Meerkarte. 
30. Die Entwicklung der neuern Tiefenkarte. Mit dem Anfang des neuen Jahr 
hunderts war man glücklich so weit, halbwegs befriedigende Meerestiefenkarten zu 
zeichnen. Die Ozeanbecken hatte man in verschiedensten Gegenden angelotet und aus 
diesen unzähligen Messungen schälte sich allmählich ein bestimmtes subozeanisches 
Bodenrelief heraus. Nun hieß es aber auch, Ordnung in die Mannigfaltigkeit der 
unterseeischen Erhebungsformen bringen. Die Bemühungen der Engländer nach 
dieser Richtung waren nicht fruchtbringend. Während J. Murray auf den drei 
ozeanischen Tiefenkarten, die er dem Schlußband (1895) des großen Challengerwerks 
beigegeben und auf denen er die Tiefen von 100, 500, 1000, 2000, 3000 und 4000 Faden 
herausgearbeitet hatte, die Tiefenmulden und Bodenschwellen nach Schiffen und 
Personen benannt hat, wählte G. von Neumayer auf seinen Tiefseekarten, auf 
denen er die drei Ozeane und den Nordatlantischen Ozean in 1000 m-Stufen ver 
anschaulichte, geographische Bezeichnungen. In seinen Fußstapfen wandelte 
G. Schott, von dem wir eine gute Tiefenkarte des Atlantischen Ozeans besitzen. 1 
Doch erst J. Thoulet, O. Krümmel 1 2 und vorzugsweise A. Supan 3 brachten die geo 
graphischen Bezeichnungen zur vollen Geltung, und wir sehen heute auf den Tiefen 
karten die Angaben von ähnlichen orographischen Gebilden wie auf dem Eestlande, 
von Becken, Mulden, Gräben, Schwellen, Rücken, Plateaus. Nur die geographische 
Lagebezeichnung tritt noch hinzu, so lesen wir beispielsweise: Azoren-Plateau, süd- 
atlantische Schwelle, Maskarenenrücken, westafrikanische Mulde, nordamerikanisches 
Becken, Philippinengraben usf. Durch Krümmel ist der altgermanische Ausdruck 
„Schelf“ 4 für die gesimsartige Umrandung der Kontinente, wofür Supan „Kontinental- 
stufe“, A. Penck „Flachsee“ oder „Kontinentaltafel“ sagt, wieder zu Ehren gekommen 
und hoffentlich unserm wissenschaftlichen Sprachschatz dauernd einverleibt worden. 
Die Engländer stehen heute noch abseits von der Benennung der Bodenformen nach 
der geographischen Lage, sie ziehen die von J. Murray geschaffene vor. Man kann 
ja gegebenenfalls ihnen einige Konzessionen machen; die deutsche Bezeichnung hat 
aber entschieden den Vorzug allgemeinerer Verständlichkeit, was auch J. Thoulet 
bei seinen Vorarbeiten zur Welttiefenkarte ¿inleuchtete. 5 
Die vielen Anlotungen von ganz bedeutenden ozeanischen Tiefen und plötzlichen 
Übergängen deuten auf eine größere Formenfülle des Meeresbodens, als man gemeinhin 
annahm. J. Thoulet zeichnete bathymetrische Karten von Frankreich 6 , vorzugs 
weise zur Veranschaulichung ihrer Richtigkeit. Vier Lotungsdichten hat er auf 
1 Als Taf. V beigegeben seinem Werke „Geographie d. Atl. Oz.“ Hamburg 1912. 
2 O. Krümmel: Die Einführung einer einheitl. Nomenklatur f. d. Bodenrelief der Oceane. 
Vortrag, geh. auf d. VII. Intern. Geogr.-K. in Berlin 1899. Berlin 1900, S. 379 — 386. — Handbuch 
der Ozeanographie. I. Stuttgart 1907, S. 100 104. — Den ersten anerkennenswerten Versuch hatte 
Krümmel bereits 1881 (Tiefenk. des Indisch. Oz. In: Z. f. wiss. Geogr. 1881, S. 2) gemacht, wie 
E. Behm bereits hervorhebt. P. M. 1881, S. 311. 
3 A. Supan: Die Bodenformen des Weltmeers. P. M. 1899, T. 12. — Grundzüge der phys. 
Geographie. 6. Aufl. Leipzig 1916, S. 264ff., sowie der wertvolle Literaturnachweis auf S. 279, 280. 
4 „Shelf” wird schon im Englischen gebraucht ; das Wort ist germanischen Ursprungs und 
gehört dem altgermanischen Sprachgut an. 
5 J. Thoulet: Carte bathymétrique générale de l’Océan. Bull, du Musée océanographique 
de Monaco. Nr. 21. Dez. 1904, S. 24—27. 
6 J. Thoulet i. P. M. 1913, I, T. 40. Die 4 Kn. sind nach d. i. d. Annales d’institut Océano 
graphique veröffentlichten Kn. wiedergegeben.
	        
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