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Die See- und Meerkarte.
„kühl“ und „kalt“ ist zu wenig qualifiziert, weil rein relativ, und dürfte kaum einer
bessern allgemeinen Kenntnis der Meeresströmungsverhältnisse dienen. Derartige
Unterschiede mögen Spezialarbeiten Vorbehalten bleiben, und da wird man sich
nicht an eine sprachliche Differenzierung anklammern, sondern sich besser von der
Aufstellung einer charakteristischen Wärmeskala leiten lassen, am besten von Wärme
grad zu Wärmegrad. Wird alsdann noch die Darbe zur Differenzierung herbeigezogen,
wie es 0. Krümmel getan hat 1 , dann ist dies Verfahren nur zu begrüßen. Für ein
eingehenderes Studium ist die Unterscheidung von Sommer- und Wintermeeres
strömungskarten selbst für allgemeine Übersichten unentbehrlich. 1 2 Wohlweißlich
hat 0. Krümmel seine Meerstromkarte in Debes’ Handatlas „Übersicht der Meeres
strömungen im Nordsommer“ überschrieben, und seine Kartenskizzen von den Ober
flächentemperaturen und Strömungen im äquatorialen Atlantischen Ozean sind für
die Monate Februar, Mai, August und November entworfen. 3
36. Windkarten. In enger Beziehung steht zu dem Phänomen der Meeres
strömungen das der Winde. Die Kenntnis vom Einfluß der Winde auf die Meeres
strömungen war schon ältern nautischen Kreisen geläufig. Die theoretische Er
härtung dieser Erkenntnis hat im Laufe der Zeit viele Köpfe beschäftigt, wie B. Va-
renius, Is. Vossius, Benj. Franklin, J. Renneil, A. v. Humboldt und von neuern
K. Zöppritz, W. Ekman u. a. Daß sich auch gegenteilige Meinungen zur Geltung
bringen wollten ist erklärlich. Doch kann es sich hier für uns nicht darum handeln,
Stellung zu den Vertretern der ventosischen Theorien zu nehmen 4 , für uns handelt
es sich bloß um das Kartenmaterial, das den Wechselwirkungen von Wind und Wasser
und Temperatur und Wasser Ausdruck verleiht.
Wie die erste Strömungskarte uns nach dem Atlantischen Ozean verwies, so
auch die älteste Karte ozeanischer Winde, die von dem englischen Physiker E. Halley
1688 in London veröffentlicht wurde. 5 Sie zeigt bereits mit unverkennbarer Sicher
heit die Region der beiden Passate, das Übergreifen des Südostpassats auf die nördliche
Halbkugel, das Abbiegen des afrikanischen Südwestmonsuns zur Guineaküste, das
äquatoriale Kalmengebiet. Für die englische Schiffahrt mag die Karte von Einfluß
geworden sein. In welcher Weise, darüber sind die Quellen noch nicht erschlossen.
Insonderheit scheint in außerenglische Kreise nichts von der Halleyschen Karte ge
drungen zu sein; denn fast hundert Jahre später weist M. Bonne, der französische
Ingenieurhydrograph der Marine, in der kurzen Erläuterung zu seinem Atlas de toutes
les parties connues du globe terrestre (1778) besonders darauf hin, daß er auf ver
schiedenen Karten die Darstellung der Winde in Pfeilen, vielfach auf Grundlage einer
dichten Schraffur in der Richtung der Pfeile gebe; und er fährt fort: „La connaissance
1 Vgl. die Karte von 0. Kriimmel: Oberflächentemperaturen u. Strömungsverhältnisse des
Äquatorialgürtels des Stillen Ozeans. P. M. 1896, S. 135.
2 A. Supan: Die Vollendung von Krümmels Handbuch der Ozeanographie. P. M. 1912.
I, S. 29.
3 O. Krümmel: Handb., a. a. O., II, S. 553.
4 Wer sich darüber näher orientieren will, dem seien die einschlägigen Kapitel in O. Krümmels
Handbuch der Ozeanographie (II. Bd.) empfohlen.
5 E. Halley: An historical account of the trade winds and monsoons, observable in the seas
between and near the tropics. Philos. Transactions, XVI, for the year 1686 and 1687. London 1688,
S. 153—168. — Vgl ebenfalls die Einleitung für den Leser, die Edm. Halley geschrieben hat zu:
Atlas maritimus et commercialis ... J. u. J. Knapton, W. u. J. Innys, London 1728.