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Die angewandte Karte und ihre wissenschaftliche Methode.
Hervortreten der großen Grundzüge ermittle aus einer genügend umfang
reichen Reihe von Beobachtungen den Mittelwert oder das Typische.
Das Gesetz drückt keine Norm der Ursächlichkeit aus, wohl eine Norm der
Erkennbarkeit, und ist auch in diesem Sinne — im Gegensätze zur Ansicht von
Aug. Meitzen 1 — für den Geographen bindend. Es spielt in der Geographie und Karto
graphie eine viel größere Rolle als allgemeinhin angenommen wird; teils wird es bewußt
teils unbewußt befolgt. So verfahr bereits C. Ritter nach dem Gesetz der großen
Zahl, als er bei der Beurteilung der wesentlichem Höhenverhältnisse der gesamten
Gebirgsmassen die absoluten Gipfelhöhen in den Hintergrund und die mittlere Höhe
der Gipfellinie der Gebirge, den Kamm, in den Vordergrund schob, weil dies Verfahren
,,weit mehr geeignet ist, als Normale der Gebirgssysteme eine richtige Vorstellung
ihrer Gestaltung zu geben.“ 1 2
II. Die graphische und geographische Methode der Statistik und ihr
kartographischer Niederschlag.
47. Die Funktionen der darstellenden Statistik. Bevor ich mich den einzelnen
angewandten Fällen zuwende, in denen das Gesetz der großen Zahl zum Ausdruck
kommt, sei der Blick noch auf ein spezielles Gebiet der Statistik gelenkt und unter
sucht, inwieweit sie sich bei der Darstellung ihrer Funktionen kartographischer und
verwandter Hilfsmittel bedient, um zu anschaulich bildlichen und allgemeinen Kennt
nissen zu gelangen. In dem beregten Sonderfall spricht man von der graphischen
Methode der Statistik, die sowohl die einfachen geometrischen Veranschau
lichungen der statistischen Zahl, das Diagramm, als auch die Darstellung statistischer
Verhältnisse auf der Landkarte, das Kartogramm, umfaßt. 3
Die darstellende Statistik hat es ebensowohl mit absoluten wie mit relativen
Werten zu tun. Rückt man dem, was als absoluter Wert bezeichnet wird, logisch
zu Leibe, verliert es seinen absolutistischen Glanz und taucht gleichfalls unter in
das Meer allgemeiner Relativität. Wenn man sagt, die Rheinprovinz zählte am
20. Juni 1922 genau 6489265 Einwohner, ist diese Angabe für die Statistik absolut;
indessen ist sie mit all den Zufälligkeiten behaftet, die derartigen statistischen Er
hebungen vorausgehen und sie belasten, und die infolgedessen das Endergebnis so be
1 A. Meitzen, a. a. O., S. 117, 118.
2 C. Ritter, a. a. O., S. 230.
3 Noch heute ist G. Mayrs „Gutachten über die Anwendung der graphischen und geographischen
Methode in der Statistik“, München 1874, durch keine andere ähnliche Darstellung überholt worden.
Vorgänger dieser Arbeit ist Mayrs Aufsatz „Zur Verständigung über die Anwendung der geograph.
Methode in der Statistik“. Mit ergänzenden Bemerkungen abgedruckt i. d. Z. d. K. bayer. Statist.
Bur., 1871, S. 179 f. Vgl. auch S. Schott: Die Statistik in Deutschland nach ihrem heutigen
Stand. Ehrengabe für Georg v. Mayr, München u. Berlin 1911, Bd. I, Kap. 6: Graphische Dar
stellungen, S. 187 — 194. Unter den großem Werken, die sich mit den graphischen Methoden be
schäftigen, ist zu nennen: De Grafische Methode. Haar aanwending in de Statistik en staathuishoud-
kunde op industrieel, handeis- en natuurwetenschappelijk gebiet en in’t bizonder in de geneeskunde
en physiologie. Nach dem französischen Werke E. J. Mareys von F. M. Jaeger. ’s Hage 1883. —
Unter den neuern Statistikern sei auf die methodischen Ausführungen aufmerksam gemacht, die
E. Lange seinem Atlas beigegeben hat, der sich betitelt: Landwirtschaftlich statistischer Atlas.
Die landwirtschaftl. Erzeugung der Welt unter besonderer Berücksichtigung der Landwirtschaft
in Deutschland, Österreich, Ungarn u. Polen u. der deutsche Außenhandel in land- u. forstwirtschaftl.
Erzeugnissen. In 105 Karten. Mit einem Geleitwort von F. Wohltmann. Berlin 1917.