Mittel- und Dichtewerte.
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Superlativ der Unwahrheit zu brandmarken 1 ; aber man wird bei einer Einzelunter
suchung zu einer gesunden Skepsis Gründe in Fülle finden. Die Statistiker, mehr
noch die Geographen — gestützt auf vielseitigeres Beobachtungsmaterial in der Natur,
oder auf kartometrische Ergebnisse — sind sich der Unvollkommenheit der stati
stischen Methode längst bewußt gewesen und bestrebt, ihr Verfahren nicht nur zu
beschleunigen, sondern auch zu verbessern. Jeder Schritt der Verbesserung der
Methode wird dankbar anerkannt, auch angewandt und auf seine Brauchbarkeit
längere Zeit geprüft. Daß nicht alles Neue in der statistischen Methode auch einen
Fortschritt bedeutet, geht aus unsern vor- und nachstehenden Untersuchungen ge
nügend hervor.
57. Der kartographisch logische Unsinn prozentualer Verteilung. Das Gesetz
der großen Zahl wird verschleiert, gegebenenfalls auch umgangen, wenn ohne Rück
sicht auf die feinem wissenschaftlichen Zusammenhänge scheinbar nach mathematischer
Methode bei der Konstruktion von Karten vorgegangen wird.
Ein viel angewendetes Mittel ist, zwei oder mehrere wirtschaftliche oder ethno
graphische oder bevölkerungsstatistische Erscheinungen u. a. m. prozentual von
einander zu unterscheiden. In dem reinen Hundertanteil, der nur auf eine Art Er
scheinung, ohne weitere Beziehung zu andern Erscheinungen, berechnet und bildlich
in der Karte dargestellt wird, liegt eine große Anschauungskraft. Seine vielseitige
Anwendung im Kartogramm kann nicht wundernehmen. Das angewandte Dar
stellungsprinzip ist durchaus statistischer Natur. Je nach der Zweckerfüllung kann
es wie die statistische Zahl der Wahrheit ebenso wie der Lüge dienen. Mit der letztem,
nicht gerade angenehmen Eigenschaft, die in jüngster Zeit auf gewissen außer
deutschen Karten propagiert wurde, wollen wir uns hier etwas eingehender beschäftigen.
Werden die Hundertanteile noch auf bestimmte Areale (Gemarkung, Gemeinde
bezirk usw.) verteilt und buntflächig ausgeführt, erhält die Karte eine gewisse geo
graphische Wärme, die den Beschauenden, der ohne Kritik an die Karte herantritt,
unbedingt fesselt und ihm, ohne daß er es merkt, ein Bild vortäuscht, das weit von
jeglicher Wahrheit entfernt ist. Das hat sich an den nicht von deutscher Hand und
deutschem wissenschaftlichen Geist bearbeiteten Sprachen- und Abstimmungs-
karten Oberschlesiens gezeigt.
Gesetzt den Fall, in einer *2000 qkm großen Landgemeinde von 100 Einwohnern
sind 20 x-sprachig und 80 y-sprachig. Wird dieses Verhältnis auf der Fläche der
Gemeinde dargestellt, erhalten 80% des Areals, also 1000 qkm, die y-Sprachigen
und 20% oder 400 qkm die x-Sprachigen zugewiesen. In der benachbarten Stadt-
gemeinde, die nur 500 qkm umfaßt, zählt man 45000 x-Sprachige und 5000 y-Sprachige,
d. h. 90% x-Sprachige stehen 10% y-Sprachigen gegenüber. Auf die Fläche der
Gemeinde verteilt ergibt das 450 qkm für die x-Sprachigen und 50 qkm für die andern.
Werden nun die so gefundenen Verhältnisse addiert und kartographisch veranschaulicht,
füllen die x-Sprachigen 490 qkm der Fläche aus und die y-Sprachigen 1650 qkm.
Das heißt mit andern Worten: Ein so hergestelltes Kartenbild ergibt „sichtlich“' den
Beweis, daß die y-Sprechenden bedeutend im Übergewicht sind. Aber das pure
Gegenteil ist der Fall. — Dieser Methode nun bedienten sich die Ententemächte, um
1 Ein boshaftes Scherzwort sagt: Es gibt drei Arten von Lügen: gemeine Lüge, Notlüge und -
Statistik.
Eckert, Karteawissenschaft. II.
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