Allgemeine methodische Grundlagen der Bevölkerungskarte.
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Auf keinem Gebiet der Kartenkunde und Kartendarstellung ist bereits soviel
gearbeitet worden, auf keinem kartenwissenschaftlichen Gebiet aber auch jahre
lang mehr theoretisiert und kritisiert als praktisch gestaltet worden wie auf dem der
Bevölkerungskarte, insbesondere der Volksdichtekarte; man ist versucht, zu behaupten,
daß hier mehr Methode als Wissenschaft getrieben worden ist. Erst im neuen Jahr
hundert ist es besser geworden und es wird nicht mehr soviel über die Methodik der
Volksdichtebehandlung geschrieben, was auch 0. Schlüter anerkennt. 1
Bei dem Problem der Volksdichtedarstellung sind wir vorzugsweise an das
Studium deutscher Kartenwerke und Veröffentlichungen gebunden, unter denen
die Arbeiten von Batzel, Neumann, Neukirch, Hettner und Schlüter hervor
ragen. Fr. Batzel brachte das Problem der Volksdichtekarten nach den verheißungs
vollen Anfängen von A. Petennann wieder in Fluß, L. Neumann prüfte an der
Hand selbstentworfener Karten die Darstellungsmöglichkeit der Volksdichte, K. Neu
kirch gab die erste klare und zusammenfassende Darstellung des Problems 1 2 ,
A. Hettner regte verschiedene Untersuchungsmethoden über Volksdichtekarten
und Verwandtes an und 0. Schlüter gab ein umfangreiches klassisches Beispiel
für die Behandlung siedlungsgeographischer Fragen. Unter den Ausländern ist
vor allem Sten de Geer zu nennen, der ein ganz hervorragendes Bevölkerungs
kartenwerk Schwedens, auf das wir noch zu reden kommen, herausgegeben hat. Da
all die genannten Forscher und andere noch später zu nennende Bearbeiter von
Siedlungs- und Volksdichtekarten die einschlägige Literatur soviel wie möglich
berücksichtigt haben, erübrigt es sich für mich, jede wichtigere Karte einzeln zu
mustern, und ich erblicke meine Aufgabe mehr darin, den Hauptrichtungslinien in
der Behandlung von Bevölkerungskarten nachzuspüren, um eventuell Leitlinien für
künftige kartographische Arbeiten zu finden.
(>2. Wesen der Bevölkerungskarte. Für mich ist der Ausdruck ,,Bevölkerungs
karte“ nur ein Gattungsbegriff, der verschiedene Arten von Karten, die es mit Be
völkerungen, ihren Teilen und ihren kulturellen (geistigen) Eigenschaften in Beziehung
zu dem von den einzelnen Völkern bewohnten Boden zu tun haben, umfaßt. Dadurch,
daß die Unterschiede, die differentiae specificae, nicht immer klar als unterscheidende
Merkmale aufgefaßt sind, hat sich in der Betrachtung von Volksdichtekarten zu
häufig eine gevdsse Unklarheit eingenistet, die zu beheben nur wenigen Bearbeitern
siedlungsgeographischer Probleme gelungen ist. Abgesehen davon, daß ich unter
Bevölkerungskarten im weitern Sinne auch Beligions-, Völkerverteilungskarten,
Wahlkarten usw r . verstehe, halte ich mich in vorliegender Untersuchung im allgemeinen
an den engern Begriff, der Siedlungs-, Wohndichte- und Volksdichtekarten
umspannt. Auch dieser Begriff ist viel weiter aufgefaßt als es Fr. Ratzel getan hat,
der unter Bevölkerungskarten der Geographen die Karten der Wohnplätze versteht
im Gegensatz zu den Bevölkerungskarten der Statistiker, die ,,die Menschen aus
diesen ihnen eigenen und für sie charakteristischen Anhäufungen herauslösen, um
1 O. Schlüter: Beiträge zur Bevölkerungs- und Siedlungsgeographie Deutschlands. P. M.
1010, II, S. 8.
2 K. Neukirch: Studien üb. d. Darstellbarkeit der Volksdichte, mit bes. Rücksichtnahme
auf den elsässischen Wasgau. Diss. Freiburg i. Br. 1897. — Einen Vorgänger hatte Neukirch in
E. Küster: Zur Methodik der Volksdichtedarstellung. Ausland, Bd. 64, 1891, S. 154—158 und
S. 574-582.