Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

Das Problem der Volksdichtedarstellung im besondern. 
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karte überhaupt den Namen Volksdichtekarte? Bevor ich darauf antworte, sei noch 
an eine Äußerung Hettners erinnert: „Es scheint mir eine Einseitigkeit mancher 
neuerer Darstellungen zu sein, daß sie Zahl und Dichte der Bevölkerung zu sehr nur 
als Wirkung und zu wenig als Ursache anderer Erscheinungen aufgefaßt, und daß 
sie sich demzufolge von vornherein auf bestimmte Gruppen der Bevölkerung be 
schränkt haben, während die erste Aufgabe darin bestehen muß, die Gesamtheit 
der Bevölkerung zur Darstellung zu bringen, und die analytische Betrachtung ein 
zelner Bevölkerungselemente, seien es ethnologische, wirtschaftliche oder soziale 
Gruppen, sich erst hieran anschließen darf.“ 1 Hettner fühlt sonach, daß die jetzigen 
Volksdichtekarten verschiedene ihrem ursprünglichen Wesen nicht entsprechende 
Elemente besitzen, die die Karten zuletzt zu einer gewissen Einseitigkeit führen. 
Diesem Dilemma entwindet man sich zunächst, wenn man reinlich zwischen Volks 
dichtekartogramm und Volksdichtekarte scheidet, jenes hauptsächlich vertreten 
durch Schlüter und seine Nachfolger, diese insbesondere durch H. Wagner und seine 
Schüler, jenes charakterisiert durch Darstellung der Volksdichte nach statistischer, 
diese nach geographischer Methode. Wie die Scheidung weiterhin sozialen und wirt 
schaftlichen Forderungen nachkommt, wird späterhin noch dargelegt. Von geo 
graphischem Standpunkt aus wäre die Scheidung der Volksdichtedarstellungen sehr 
zu wünschen, nicht aber ist es meines Erachtens angebracht, hier wieder besondere 
Namen einzuführen. Die Ausdrücke Diagramm, Kartogramm weisen gleich auf den 
statistischen Ursprung hin, während der Ausdruck Karte mehr an die geographische 
Lokalisation der Tatsachen erinnert. ,,Le seul mot de ,carte“ doit immédiatement 
impliquer localisation géographique des faits.“ 1 2 
75. Quantitative und qualitative Volksdichtekarte. Da das Volksdichtekarto 
gramm sowohl wie die Volksdichtekarte mehr als die bloße Veranschaulichung der 
Volksdichte zu geben imstande sind (wiewohl es für ersteres Darstellungsbereich 
verpönt ist), läßt sich eine weitere brauchbare Gruppierung finden, wenn wir die 
Begriffe „quantitativ“ und „qualitativ“ einführen. Die Volksdichtekarte gewährt 
nur einen ganz allgemeinen Überblick über die Verteilung der Volksdichte und läßt 
nur bescheidene Schlüsse über die Abhängigkeit der Dichte vom Boden oder über 
die Zusammensetzung des Volkskörpers zu; ich nenne sie darum „quantitative Volks 
dichtekarte“ zum Unterschied von der „qualitativen“, die bestimmte Ursachen und 
Erscheinungen oder bestimmte Bevölkerungsteile, z. B. die Verteilung von Berufs 
gruppen, zum Vorwurf der Darstellung nimmt und somit wesentlich die Kenntnis 
der die Verbreitung der ganzen Bevölkerung beeinflussenden Faktoren und ihrer 
Wirkung fördert. Die Volksdichtekarte macht auf diese Weise einen Individualisierungs 
prozeß durch und sie wird ihrer neuen Aufgabe, den Einfluß, den die verschiedenen 
geographischen Erscheinungen oder die einzelnen Bevölkerungsklassen durch ihre 
wechselseitigen Beziehungen auf ihre Verbreitung ausüben, zu verdeutlichen, erst 
dann gerecht, wenn sie sich in einer Reihenfolge darbietet, d. h. wenn jeder haupt 
1 A. Hettner: Über bevölkerungsstatist. Grundkarten. Vortrag, gehalt. auf d. VII. Intern. 
Geogr.-Kongr. Berlin. G. Z. VI. 1900, S. 185, 186. 
2 J. Brunhes: Différences psychologiques et pédagogiques entre la conception statistique 
et la conception géographique de la géographie économique. Représentations statistiques et re 
présentations géographiques. In Géologie et Géographie, Bd. I. Fribourg 1900. S. 69.
	        
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