214
Die angewandte Karte und ihre wissenschaftliche Methode.
chronenkarte des Schnellverkehrs leisten, wie sie Gal ton zuerst erfaßt, von mir ver
tiefter konstruiert und von Fr. Heiderich durchaus bestätigt wurde. 1 Für größere
Entfernungen sind stets die schnellsten Verbindungen die Hauptsache und nicht die
mittlere Reisedauer, was sich bereits, wie Heiderich dem Riedel entgegenhält, in
dem großen Absatz der Kursbücher zeigt, worin sich „die in alle Schichten gedrungene
Wertschätzung der Zeit“ ausdrückt. Mit Heiderich stimme ich ganz überein, daß ein
Isochronenbild der Erde, nach Riedel scher Manier konstruiert, den Grad der durch
den heutigen Verkehr tatsächlich erreichten Raumeroberung der Erde und Raum
kürzung völlig verschleiern würde. Wohl aber ist die Riedel sehe Karte ein Para
digma dafür, daß Mittelwerte für wirtschaftliche Karten gelegentlich der Theorie
mehr als der Praxis dienen können. Von diesem Standpunkt aus läßt sich die
Zeichnung derartiger Karten rechtfertigen, wie es ja Riedel wohl selbst schon gefühlt
haben mag, indem er sich mit den Worten A. Hettners tröstet, „daß die praktische
Richtung (seil, der verkehrsgeographischen Untersuchungen) die theoretische zu sehr
überwuchert hat, daß die Erforschung der Ursachen der Verkehrsverhältnisse über
der Erforschung der Wirkungen vernachlässigt worden ist“.
Die Isochronenkarte mit Mittelwerten würde gewinnen, wenn sie lediglich auf
der mittlern Reisedauer fußt und die Häufigkeit ausschaltet. Daß dem Begriff der
Häufigkeit kein geographisches Moment anhaftet und er nur ein verwaltungs- und
betriebstechnischer Faktor ist, hat Heiderich ebenfalls schon festgestellt. Trotzdem
ist es möglich, im Verein mit der Dichte des Eisenbahnnetzes oder mit den höchst
möglichen Leistungen des Schnellverkehrs ihm ein wenig geographische Wärme zu
geben. Die verschiedene Häufigkeit einzelner Strecken durch die abwechselnde
Stärke der Eisenbahnlinien zum Ausdruck zu bringen ist bereits ein Mittel, den
Häufigkeitsbegriff kartographisch zu veranschaulichen. Derartige kartographische
Bilder liegen bis jetzt nur vereinzelt vor, so von A. E. Förster, Ed. Czegka 1 2
K. Kimmei. 3 H. v. Hedemann half sich dadurch, daß er auf jede Eisenbahn
strecke die Anzahl der täglich in einer Richtung fahrenden Schnell-, Eil-und
Luxuszüge durch ebensoviel parallel laufende Striche andeutete. Die von ihm
gelieferte statistische Kartenskizze 4 gibt ein annäherndes Bild von der Dichtigkeit
des Personenverkehrs in Deutschland. Würde ein solches Bild oder eine Kon
struktion, wie ich vorher empfahl, mit der Isochronenkarte auf Grundlage von mittlern
Zeitentfernungen oder noch besser auf Grundlage der Reisezeit vereint, dürfte den
Isochronenkarten ein weiteres dankbares Feld erblühen und ihnen eine außerordent
liche Bedeutung in historischer wie wirtschaftlicher Beziehung erwachsen. Sie wären
alsdann ein sicherer Maßstab von der potentiellen Aufgeschlossenheit eines kleinern
oder großem Landgebiets. Für die Beurteilung dieser Aufgeschlossenheit gibt
aber noch eine Anzahl anderer Mittelwerte, die aus der Untersuchung des Eisenbahn
verkehrsweges resultieren und nach dem Gesetz der großen Zahl gefunden sind,
brauchbare Anhaltspunkte.
1 Fr. Heiderich: Verkehrsgeographische Studien zu einer Isochronenkarte der Öster
reichisch-ungarischen Monarchie. Publikation der Exportakademie. Wien 1912, S. 19.
2 Über A. E. Förster u. Ed. Czegka vgl. Fr. Heiderich, a. a. 0., S. 21.
3 K. Kimmei: Personenzughäufigkeitskarte f. d. Königreich Bayern. Winter 1910/11. P. M.
1913. I. Taf. 43.
4 Schnellzugskarte des Deutschen Reiches. Entworf. v. H. v. Hedemann. 1: 2200000.
P. M. 1914. I T. 9.