Die Funktionen der Mittelwerte auf physikalischen Karten.
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die mittlern Tiefen der Meeresbecken und ähnliche mittlere Resultate wollen als
Vergleichsmomente Einblick in gewisse terrestrische Eigentümlichkeiten eröffnen. 1
Wohl gemerkt, vorgenannte Mittelwerte werden wohl aus der Karte gewonnen, nicht
aber im Kartenbild sichtbar gemacht, geschweige auf einer Sonderdarstellung, obwohl
dem nichts im Wege steht. Es muß nur einmal gewagt werden. Die Schwierigkeit
der Darstellung mittlerer Höhen usw. besteht in der Veranschaulichung vertikaler
Mittelwerte im Gegensatz zu der von horizontalen, wie sie beispielsweise in der mittlern
Verkehrsferne vorliegen.
In einer einzigen kartographischen Darstellung schimmert ein gewisser Mittel
wert durch, nämlich in den Regionalfarben der physikalischen Karten unserer Atlanten
und Schulkarten; denn was wollen die farbig zusammen gefaßten Stufen von 0—200 m,
200—500, 500—1500 und über 1500 m anderes sagen als daß auf diese Weise die
Verbreitung des Tieflandes, des Hügel- und niedern Berglandes, des Mittel- und des
Hochgebirges allgemein und großzügig veranschaulicht wird. Je nach Maßstab und
Zweck der Karte offenbaren die farbigen Stufen, ob sie jene großen orographischen
Gebilde richtig erfaßt haben. So hatte schon 1870 E. v. Sydow an der physikalischen
Karte Deutschlands, die von H. Kiepert gezeichnet und dem statistischen Atlas von
Aug. Meitzen einverleibt war 1 2 , auszusetzen, daß in der Höhenabstufung des nord
deutschen Hügel- und Flachlandes der Sprung von 200 auf 1000 Fuß offenbar un-
charakteristisch ist, „denn er zieht Landschaften in ein und dieselbe Region, deren
relative Stellung sehr verschieden ist, er stellt die gebirgsartigen Hochflächen von
Pomereilen in eine Stufe mit den Flachwellen der Mark Brandenburg und der
Lüneburger Heide und mit den Ebenen von Leipzig und Köln.“ 3 4
1)9. Flußdiehte. In der Bestimmung der mittlern Höhen usw. liegen ganz be
stimmte, eigentümliche Methoden vor. Daß die physikalische Karte direkt auch
Methoden befolgen kann, die andern außerhalb der physikalischen Karte liegenden
Forschungsgebieten abgelauscht sind, beweist die Karte der Flußdichte. Mit den
Eisenbahnen lassen sich unter den von der Natur gegebenen Erscheinungen am
besten die Flüsse und Ströme vergleichen, die gleichfalls in das Antlitz der Erde
eingefurcht und eingegraben sind. Wir sprechen von einem Flußnetz, wenn auch das
Spezificum characteristicum des Begriffes Netz auf das natürliche Flußsystem
weniger paßt als bei dem Eisenbahnnetz. Auf den Karten erscheinen uns die Flüsse
als Liniensysteme ähnlich wie die Eisenbahnen. Schon diese rein äußerliche Be
obachtung läßt es erklärlich erscheinen, LTntersuchungsmethoden und kartographische
Darstellungen von Eisenbahnnetz auf das Flußnetz zu übertragen, um auf diese Weise
zu der Erkenntnis der Ursachen der Anordnung und Verteilung der Stromgebiete vorzu
dringen, was bis jetzt trotz der Mahnung von A. Philippson recht selten geschehen ist. 1
1 Vgl. hierüber R. Tronnier: Zur Frage der mittlern Höhe der Kontinente usw. in Gerlands
Beiträgen zur Geophysik VI. 1904, S. 639ff. — Über orographische Mittelwerte und ihren Wert
vgl. ferner das, was C. Rohrbach in der Riehthofen-Festschrift 1893, S. 354, niedergelegt hat. — \gh
ferner G. Leipoldt: Über die mittlere Höhe Europas. Plauen i. V. 1874. — H. Haack: Die mittlere
Höhe Südamerikas. Diss. Halle a. S. 1896.
2 Aug. Meitzen: Der Boden u. die landwirtsch. Verhältnisse des Preuß. Staates nach dem
Gebietsumfang vor 1866. Atlas Berlin 1869. T. 2.
3 E. v. Sydow in P. M. 1870, S. 170.
4 A. Philippson: Studien über Wasserscheiden. Leipzig 1886, S. 17.