Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

Die Funktionen der Mittelwerte auf physikalischen Karten. 
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halb welcher Beobachtungsperiode sie gewonnen sind. Wenn man heute eine dreißig 
jährige Beobachtungsperiode zur Bedingung für ein halbwegs sicheres Ergebnis an 
nimmt, ist das in Anbetracht der Wahrnehmung, daß sich Wärme und Luftdruck 
täglich, ja stündlich ändern, gar nicht so erstaunlich. 
Daß man mit der Methode der Mittelwerte nicht jedem klimatischen Faktor 
oder jeder klimatischen Variante gerecht wird, hatte schon A. v. Humboldt erkannt 
und seine Ansicht hierüber in der berühmten Denkschrift „Sur les lignes isothermes“ 
in den Mémoires de physique et de chimie de la Société d’Arcueil, Paris 1817, 
niedergelegt. 1 
Aber selbst der weitere Ausbau der Methode der Mittelwerte hat gelehrt, bis zu 
welchem Grade sie tatsächlich brauchbare, d. h. charakteristische Werte liefert. 
Um nur eins schon hervorzuheben, hat man gefunden, daß Mittelwerte, die sich über 
ein Sommer- oder über ein Winterhalbjahr erstrecken, nicht so charakteristisch und 
damit bedeutungsvoll für besondere Zwecke, sagen wir meinetwegen für pflanzen 
geographische, sind wie die Mittelwerte der extremen Monate. Für die Abgrenzung 
von Klimazonen kann neben dem Jahresmittelwert ein Monatsmittelwert noch aus 
schlaggebender sein. Unter diesem Gesichtswinkel die Funktionen der klimato- 
graphischen Mittelwerte betrachtet, sehen wir, daß sie aus dem Kähmen ihres Beob 
achtungsreiches hinaus- und Verknüpfungen mit andern Naturphänomenen her 
zustellen streben, deren mehr oder minder geahntes Abhängigkeitsverhältnis vom 
Klimaproblem alsdann klar und deutlich ausgesprochen und mit Zahlenwerten belegt 
wird, die wie mit Gesetzesgewalt zu wirken scheinen. Am Ende ist nicht zuviel gesagt, 
daß die Funktionen der Mittelwerte auf physikalischen Karten ihren höchsten Zweck 
erfüllen, wenn sie neben der Klärung des eigenen Problems auf die Aufhellung der 
großen Zusammenhänge hinwirken, die in dem großen Weltgeschehen verborgen 
liegen. Diesen Enthüllungen soweit wie möglich nachzugehen, wird die vornehmste 
Aufgabe des folgenden Hauptteils unserer Forschungen und Untersuchungen sein. 
Den Karten, die sich mit der Veranschaulichung der jährlichen, jahreszeit 
lichen und monatlichen Regenverteilung beschäftigen, liegen gleichfalls die Mittel 
werte langjähriger Beobachtungen zugrunde. In der Wissenschaft ist es üblich geworden, 
die Orte mit gleichen Mittelwerten durch Linien bzw. Kurven zu verbinden und sie 
besonders zu benennen. 
Zuletzt sind auch die Kurvensysteme erdmagnetischer Karten Mittelwerte, 
die bei genauem Darstellungen aus Beobachtungsepochen von zwei und mehreren 
Dezennien gewonnen und gewöhnlich auf eine Normalepoche reduziert sind. 
101. Zusammenfassung im Hinblick auf den Wert des Gesetzes der großen Zahl 
im Aufbau der angewandten Karte. Das Gesetz der großen Zahl, das bis jetzt nur 
auf dem Gebiet rein statistischer Untersuchung gewürdigt worden ist, hat in der 
Kartographie gleichfalls ein außerordentlich großes, fast unbeschränktes Geltungs 
bereich, über dessen Bedeutung man bisher sehr vag orientiert war. Zunächst 
offenbart es uns, daß wir in vielen Karten, die wir Geographen zeichnen und brauchen, 
ein Moment haben, das über den Begriff der reinen Landkarte hinausgeht und etwas 
in sie hineinträgt, das ihr von Haus aus nicht eigen ist. Das Gesetz der großen Zahl 
operiert mit typischen Werten, die in der Hauptsache als Mittelwerte errechnet werden. 
1 Vgl. A. v. Humboldt: Kleinere Schriften. I. Stuttgart u. Tübingen 1853, S. 224.
	        
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