Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

222 
Die angewandte Karte und ihre wissenschaftliche Methode. 
Mit ihrer Übertragung in das Kartenbild erhält dieses eine Weite und Bedeutung, 
die, wie wir wissen, der geographischen Wissenschaft einen Vorzug gegenüber andern 
und verwandten Disziplinen geben. Die vorangehenden Darlegungen haben des 
öftern gezeigt, daß die kartographischen fixierten Mittelwerte nicht bloß Zweck, 
sondern vielfach auch Mittel der Untersuchung sind. Dadurch erwächst der Geo 
graphie ein weiterer bedeutungsvoller Vorzug andern wissenschaftlichen Disziplinen 
gegenüber. 
Wie man sich davor bewahren soll, die Mittelwerte zu unterschätzen, muß 
man sich auch davor hüten, sie zu überschätzen, besonders in ihrer veranschau 
lichenden Kraft. Alle Wissenszweige, die Zahlenreihen und Mittelwerte als Ver- 
anschaulichungs- und Vergleichsmittel benutzen, erwecken mit ihren Zahlergebnissen, 
obwohl diese oft nur auf ganz unzulänglich verarbeiteten und weit auseinander 
reichenden Daten beruhen und kaum mehr als abstrakte Zahlen bedeuten, bei Un 
eingeweihten den Glauben an einwandfreie Tatsachen. L. Neumann kann man 
nur beipflichten, wenn er sagt, „daß schon eine angehende Vertrautheit mit dem 
betreffenden Gegenstand der Forschung dazu gehört, mit der den Mittelwert aus 
drückenden Zahl eine sachliche Vorstellung zu verbinden.“ 1 Ich glaube, auch in 
vorliegenden Untersuchungen genugsam betont zu haben, daß der statistische Mittel 
wert nur ein Wahrscheinlichkeitswert ist, daß jeder Mittelwert nur ein relativer Wert 
ist, der kein eindeutiges Bild der Wirklichkeit gibt. Unter Umständen sind auch 
die Mittelwerte allein nicht ausreichend, die Durchschnittswerte zu charakterisieren; 
das hat die Meteorologie gelehrt, die für die meist auffälligen und vorherrschenden 
Zustände noch sogenannte „Schwellenwerte“ eingeführt hat, die nicht mit dem 
Schwellenwert der Volksdichtekarte zu verwechseln sind. Durch sie erhalten wir im 
Vergleich charakteristische Werte. 
Nicht bloß bei meteorologischen Untersuchungen und Kartierungen, sondern 
in allen Karten, die nach dem Gesetz der großen Zahl aufgebaut sind und 
dadurch a priori dem Vergleich dienen wollen, muß die Variable gesucht und fest 
gelegt werden; denn ohne sie sind zufriedenstellende Vergleiche zwischen Funk 
tionen ausgeschlossen. 
Es kann nicht ausdrücklich genug hervorgehoben werden, daß bei den karto 
graphisch fixierten Mittelwerten die schärfste Kritik und weitgehendste Klarlegung 
mehr wie fast bei jedem andern Kartenelement am Platze ist. Auf Mittelwerte aber 
mehr oder minder verzichten und sie im Bereiche kartographischer Darstellung zurück 
drängen zu wollen, hieße der Geographie ein Lebenselement und eines ihrer dank 
barsten Arbeitsgebiete rauben. Für die notwendige Anschaulichkeit klimatologischer 
und kulturgeographischer Erscheinungen sind sie nachgerade unentbehrlich geworden. 
Einem der wichtigsten methodischen Elemente im Fortschritte der Wissenschaften, 
dem Vergleich, eröffnen sie Tor und Werkstatt. Sie führen zu neuen Kombinationen 
und zu neuen Ergebnissen und bereichern somit stofflich und methodisch die karto 
graphische und geographische Wissenschaft.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.