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Die anorganische Welt im Kartenbild.
Erdphysik zu einheitlich zusammenfassender Anschauung zu bringen als das von
kundiger Hand geschaffene Kartenbild.“ 1 Im Laufe der Entwicklung der Wissen
schaften drängte es sich von selbst auf, zur Veranschaulichung des Typischen und
Charakteristischen das Kartenbild zu benutzen. Damit wird zugleich Wesen und
Zweck der naturhistorischen Karte, damit wird aber auch ihre vornehmste Aufgabe
angedeutet. Diese ist mehr beschreibend als begründend. In der geologischen Karte
tritt dies auffallend zutage. Allgemein ausgedrückt will die naturhistorische Karte
irgendeine Erscheinung auf Erden, ganz gleich, ob sie sich direkt darbietet oder ob sie
erst als Mittelwert gewonnen wird, veranschaulichen. Das ergibt innerhalb der natur-
historischen Karten zwei große Gruppen; die eine hat es mit realen Tatsachen, wie
die geologischen, pflanzen- und tiergeographischen Karten zeigen, die andere mit
Mittelwerten zu tun, wie sie uns in den klimatographischen bzw. meteorologischen
Karten entgegentreten. Beide beruhen auf Beobachtungen; die einen ergeben un
mittelbar das Kartenbild, die andern mittelbar auf Grund rechnerischer Verarbeitung.
Daß sich zwischen beiden Gruppen zahlreiche Übergänge befinden, sei beiläufig er
wähnt. Man hat beispielsweise schon bei geologischen Karten von Mittelwerten
gesprochen, wenn die Erde punktartig- geologisch erschlossen ist und trotz dieser
wenigen Aufschlüsse das Kartenbild flächenartig eingedeckt wird. Indessen repräsen
tieren sich hier weniger Mittel- als Wahrscheinlichkeitswerte, die sich je nach der
geologischen Erschließung eines Gebietes allmählich zu Wirklichkeitswerten aus-
wachsen können.
Läßt man sich weniger von methodischen Erwägungen bei der Einteilung der
natur- und kulturhistorischen Karten leiten als vielmehr von den großen Tatsachen
des Naturdaseins und Naturgeschehens oder der anorganischen und organischen
Welt, kann man ein anderes gutes Einteilungsprinzip finden, wobei „anorganisch“
nicht bloß auf die Gesteinswelt und die aus ihr sich ableitenden Stoffe ausgedehnt
wird, sondern über sämtliche Naturobjekte und Erscheinungen, die nicht „organischen“
Ursprungs sind. Diese Zweiteilung machte sich für meine Forschungen und Grund
lagen notwendig, als die ungeheure Stoffülle der natur- und kulturhistorischen Karte
mich zwang, über den mir von Anfang an gesteckten Rahmen der Untersuchungen
hinauszugehen.
103. Methodisches zur Darstellung naturhistorischer Karten. Bei den natur-
historischen wie kulturhistorischen Karten werden Methoden befolgt, die sich im
großen und ganzen mit denen decken, die im Teil II unserer Untersuchungen
erörtert worden sind. Daneben ergibt sich noch eine Anzahl Sondermethoden, die
entweder von einer einzelnen angewandten Karte oder einer Gruppe angewandter
Karten gefordert und mehr oder minder befolgt werden. Wir behalten uns vor, sie
dort zu erörtern, wo sie sich unserer Meinung nach am besten dem Gang unserer
I ntersuchungen einfügen. Hier will ich nur auf Grundsätzliches hinweisen, das
zur verständnisvollen Einführung in die Probleme unumgänglich notwendig ist. Der
Dualismus, der sich oben bereits zwischen den geologischen, pflanzen- und tiergeo
graphischen mit Einschluß der kulturgeographischen Karten und den klimatographischen
Karten aussprach, vertieft sich mehr und mehr in methodischer Beziehung. .Jene
huldigen hauptsächlich der absoluten Methode, diese der relativen. Jene sind im
.1. Spörer: Zur historisch. Erdkunde. G. J. III. 1870, S. 332.