Die hydrographischen Karten.
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Etwas anders verhält es sich mit den Isoklinen- und Isogonen karten. Die Werte
unsers Erdmagneten lassen sich — im allgemeinen gesprochen — jederzeit und jeden-
orts immer wiederfinden und bestimmen, ohne wesentliche Verlagerung, wenn auch
in verschiedenen Intensitätswerten. Die Gewinnung der erdmagnetischen Linien
beruht auf einem andern Verfahren als der Aufbau der Isothermen und Isobaren.
Sind die magnetischen Flächen auch nicht ganz außer Acht zu lassen, spielen sie als
Flächen (und Räume) für die Erkenntnis des ganzen Phänomens nicht die Rolle,
wie wir sie von den Isothermen- und Isobarenkarten her kennen. Insonderheit kommt
die heutige Nautik ohne die magnetischen Karten nicht mehr aus und bei ihrer Ge
wöhnung an die Mercatorkarte ist es für die erdmagnetischen Karten im allgemeinen
zu empfehlen, keine andere Projektion zu w T ählen, es sei denn, daß es sich um ganz
bestimmte Zwecke oder kleinere Landgebiete handle. In den Winkelschnitten der erd-
magnetischen Linien mit dem Gradnetz der Erde liegen mehr oder minder absolute
Werte zugrunde, die wiederzugeben ein winkeltreues Netz, im vorliegenden Falle
also die Mercatorprojektion am besten in der Lage ist.
Nach allem, was ich oben erörtert habe, nehme man A. Supans Grundzüge
der Physischen Erdkunde zur Hand und untersuche, wie weit die Mercatorprojektion auf
den einzelnen physischen Karten zu Recht besteht. Ich weiß, daß Supan im Prinzip
gegep die Anwendung anderer Projektionen bei physischen Erdkarten ist. 1 Selbst
die gewichtige Persönlichkeit eines Supans könnte uns nicht abhalten, andern Ideen
und Überzeugungen Raum zu geben. Wer Augen hat zum Sehen, der sehe. Manche
Überraschungen wird er beim Vergleich und Durchdenken der einzelnen Supanschen
Karten erleben. Ein klassisches Beispiel, wie man von Jugend auf an ein falsches
Bild gewöhnt wird, zeigt die Karte mit der Verbreitung der Gletscher und des Treib
eises. Aus dem Kartenbilde platzt Grönland mit seinem Eispanzer geradezu heraus.
Man kann das Bild nicht vergessen. Wie bescheiden nehmen sich dagegen die zentral-
asiatischen Gletschergebiete aus. L T nd nun überlege man sich, daß Grönland, das
auf der Mercatorkarte dieselbe Größe wie Afrika hat, in Wirklichkeit ‘2 Milk qkm
umfaßt, also nur 1 / 15 des afrikanischen Kontinents oder 1 / 22 des asiatischen Festlandes.
Auf einer flächentreuen Karte kommt die Größe der zentralasiatischen Gebiete erst
zur vollen Geltung und gibt im Umfang des vergletscherten Gebietes dem grönländischen
nichts nach. Nur die größere Zertalung hat jenes diesem voraus und damit eine
größere Auflockerung des gesamten Eispanzers. Da lobe ich mir den Traité de géo
graphie physique von Em. de Mar tonne 1 2 , wo für alle Erscheinungen der physi
kalischen Welt, soweit sie in einem Kartenbild zusammengefaßt erscheinen, ledig
lich die Mollweidesche Projektion gewählt ist. Auch in bedeutendere Schulatlanten
hat man der flächentreuen Projektion zur Veranschaulichung klimatographischer
Probleme Eingang gewährt, wie in den großen Schulatlas von Diercke. 3
II. Die hydrographischen Karten.
105. Die allgemeinen hydrographischen Karten. Ein gut Teil der hydrographischen
Karten fällt in das Gebiet der Meerkarte und hat dort die entsprechende Berück
1 A. Supan in P. M. 1900. L. B. S. 1.
2 Em. de Martonne: Traité de géographie physique. Paris 1909.
3 Diercke: Schulatlas für höhere Lehranstalten. Große Ausg. 59. Aufl. Braunschweig u.
Hamburg 1924.