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Die anorganische Welt im Kartenbild.
sichtigung gefunden. Wir haben es mit den fließenden und stehenden Gewässern
der Kontinente zu tun. Die Bezeichnungsweise „hydrographische Karte“ ist altern
Datums und wurde früher auf Einzelkarten und in Atlanten häufiger als heutigestags
angewandt. Die Karten, die uns als Eingangskarte in Ptolomäusausgaben und ferner
in den großen Atlanten bis Ende des 18. Jahrhunderts entgegentreten, tragen häufig
die Überschrift „Hydrographia seu Charta Marina“ oder „Mappe-Monde-Geo-Hydro-
graphique“. Sie bieten nichts anderes als die Verteilung von Wasser und Land auf
einer einzigen Übersichtskarte oder auf zwei Halbkugelentwürfen, beileibe aber nicht
auf Land- und Wasserhalbkugelbildern, wie man der Überschrift nach vermuten
könnte.
An die Gewässerkarten des Festlandes denkt man schlechthin, wenn von hydro
graphischen Karten gesprochen wird. Sie sind es auch, die man mit gutem Rechte
den gewöhnlichen Landkarten beizählen kann. Wenn trotzdem die hydrographische
Karte ihr Sonderdasein besitzt, kann sie dafür allerhand Gründe Vorbringen, deren
Berechtigung keinem Zweifel unterliegt. Sie wird dabei außer durch die Wissenschaft
insonderheit durch die moderne Wasserwirtschaft unterstützt.
In kartentechnischer Hinsicht bieten die hydrographischen Karten nichts Be
sonderes und Markantes. 1 Ist doch die gewöhnliche Flußkarte, die wir schon als
hydrographische Karte bezeichnen können, nichts anderes als das Gerüst, das
Zeichengerippe jeder Karte oder der wesentlichste Teil der Situation. Daneben hat
man seit alters her Karten herausgegeben, die sich ausschließlich mit dem Flußnetz
beschäftigen.
Auf den ältern Karten war das Elußnetz fast das Einzige und Alles der Karte;
denn das Gebirge wurde je nach Bedarf in Maulwurfshügeln dazwischen gestreut. 1 2
Die Ortszeichen wurden gern an das Elußnetz angeheftet. Gerade die Verfolgung
des allmählichen und richtigen Hineinwachsens des Flußnetzes ins Kartenbild bietet
reichen Stoff des Vergleichens und Erkennens. Um gleich bei alten deutschen Karten
zu bleiben, nehmen wir einige der berühmtem vor. Auf Hartmann Schedels
„Karte von Deutschland“, Nürnberg 1498 3 , sind die deutschen Flüsse mit einer
Ungenauigkeit wiedergegeben, die selbst für jene Zeiten erstaunlich ist. Besseres
sehen wir auf Sebastian Münsters „Landtafel Deutscher Nation“, Oppenheim
1525 4 , doch lassen die Flußläufe im 0 Deutschlands noch viel zu wünschen übrig.
Das Elußsystem wird mählich richtiger auf der „Landtaffel des deutschen Landes“
von Tilemann Stella von Siegen 5 , wenn auch die Münstersche Landtafel noch
durchblickt. Auf der Karte „Teutschland“ von Chr. Froschower sind insonderheit
die süddeutschen Flüsse richtiger als bei Münster gezeichnet. 6 Den größten Fort
schritt in der Gewässerzeichnung zeigt die um 1720 in Nürnberg erschienene „Tabula
novissima totius Germaniae“, herausgegeben von Joh. Casp. Eisenschmied und
1 Vgl. M. Eckert: Die Kartemvissenscbaft. I. S. 364ff.
2 Vgl. M. Eckert: Die Kartenwissenschaft. I. S. 417ff.
3 Schedels Karte war übrigens ein primitives Erzeugnis der damaligen Kartographie. [German.
Mus. Nürnberg.]
4 Seb. Münster: Ein neu lustig und kurzweilig Instrument der Sonnen, mit eingesetzter
Landtafel Teutscher Nation. Oppenheim 1525. Kolorierter Holzschnitt mit Typentext. — Die
Karte bildete lange Zeit die Grundlage der kartograph. Darstellung Deutschlands. [Stadtbi. Nürnberg.]
5 Tilemann Stella von Siegen: Die gemeine Landtaffel des deudschen Landes. 1560.
[German. Mus. Nürnberg.]
e Christoph Froschower: Germania, Teutschland. 1562. [German. Mu. Nürnberg.]