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Die anorganische Welt im Kartenbild.
110. Die alte Periode in der geschichtlichen Entwicklung der geologischen Karte.
Innerhalb der physischen Karten ist die Geschichte der geologischen Karte eins der
interessantesten Kapitel, das wohl dann und wann berührt, aber niemals völlig aus
gekostet wurde, weder im In- noch im Auslande. Unter den deutschen Autoren, die
sich damit befaßt haben, seien B. Cotta 1 , H. Becker 1 2 , A. von Zittel 3 genannt,
und aus neuerer Zeit Fr. Schöndorf. 4 5 Ihre Ausbeute ist gering. Besonders in
Zittels Geschichte der Geologie und Paläontologie glaubt man etwas Ausführlicheres
zu vernehmen. Doch vergebens. Auch meine Erörterungen über den Gegenstand
sind nur als ein schwacher Versuch zu betrachten, der immerhin bestrebt ist, alte,
vergessene Böden wieder anzuschürfen und einige Leitlinien in der Entwicklung fest
zulegen. Für mich handelt es sich in der Hauptsache um eine allgemeine geschichtliche
Darstellung. Hie und da fängt man an, für Einzelgebiete der geschichtlichen Ent
wicklung etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken, indessen handelt es sich dabei
meist um Daten neuerer Zeit.'
Drei Entstehungsherde der geologischen Karte müssen wir feststellen, nämlich
England, Frankreich und Deutschland, hier insbesondere Sachsen. Nach England,
wo man sich bereits im 17. Jahrhundert geographisch-geologischer Beschreibungen
befleißigte 6 , führen die ältesten, bisher bekannten geologischen Karten. Sie hat man
schon einigemal besprochen und zitiert, jedoch nicht ganz richtig. Einer Anregung
Bister’s folgend hat Christopho Packe 1787 eine erste geologische Karte gezeichnet 7 ,
die 1748 wieder gedruckt vorliegt. 8 Es war kein großes Gebiet, noch nicht 100 qkm
umfassend, das er in der Gegend von Canterbury der Grafschaft Kent geologisch
kartiert hatte. Wie nicht anders zu erwarten, ist die Ausstattung der Karte dürftig,
und die darauf angewandten Zeichen und Linien bedurften einer ausführlichen Er
klärung. Fast um die gleiche Zeit veröffentlichte Jacques Etienne Guet tard,
ein Schüler von Bernard de Jussieu und von Beaumur, später Beisebegleiter des
Herzogs von Orleans, geologische Karten. Von ihm heißt es noch heute in der
französischen Literatur: „II publia des cartes géologiques estimées“. Bekannt sind
vor allem seine geologische Karte von einem Teil Europas und die Übersichtskarte
von Frankreich und England. 9 Letztere ist die bedeutendere, sie erschien in Paris
1 B. Cotta: Geognostische Karten unsers Jahrhunderts. Freiberg 1850.
2 H. Becker: Eine geologische Karte von Europa. Z. f. wiss. Geogr. VII. Weimar 1890,
S. 488 ff.
3 A. v. Zittel: Geschichte der Geologie u. Paläontologie. Gesch. d. Wiss. in Deutschland
Neuere Folge. XXIII. München u. Leipzig 1899. S. 54ff.
4 Fr. Schöndorf: Verwertung geologischer Karten u. Profile. 2. Aufl. Berlin 1922, S. 1 — 7.
5 W. Wiechelt: Die topogr. u. geolog. Kartierung Rumäniens. Z. f. prakt. Geol. XVII,
1909, S. 281 ff.
6 Vgl. Plot: History Steffordshire. 1077. Plot war der erste in England, der geographisch
geschichtliche Bücher geschrieben hat.
7 Chr. Packe: A dissertation upon the surface of the earth, as delineated in a specimen of
a philosophico-chorographical chart of East-Kent. London 1737. [Br. M. London.]
8 Chr. Packe: Äv?.oy()a<ficr, sive convallium descriptio: in which are . . . expounted the
origine, course, and insertion, extent, élévation and congruity of all the valleys and hills, brooks and
rivers (as an explanation of a new philosophico-chorographical chart) of East-Kent, etc. Canter
bury 1743. [Br. M. London.]
9 In einer ältern Publikation Deutschlands ist auf die Karten hingewiesen, und zwar in J. Kle-
feker: Curae geographicae, c. M. Rieheii dissertatione epistolica de loco Hochbuchi. Edidit et de
incrementis geographiae recentissimis praefatus est J. G. Büsch. Hamburg 1758. Auf S. 215