Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

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Die anorganische Welt im Kartenbild. 
der Bezeichnung „geologische Karte“ Platz. Die „petrographische“ Karte wird seltener 
oder wird reinen Spezialstudien zugewiesen. In der altern Zeit begnügte man sich, 
den Wechsel der Hauptgesteine im allgemeinen darzustellen. Indessen fing man bei 
zeiten an, mit gleicher Farbe anzudeuten, was einer gleichartigen und gleichzeitigen 
Bildung beigezählt wurde. Allmählich wuchs man in den Formationsbegriff hinein 
und damit in die kartographische Darstellung der Formationen. Viele der alten Karten 
machen einen unfertigen Eindruck. Ihre Unvollkommenheit ist das Spiegelbild des 
geologischen Wissens ihrer Zeit. 
Der geologischen Karte der neuen Epoche kommen vor allem die neuen Be- 
produktionsverfahren, darunter die Lithographie, zupasse. Während die Chromo 
lithographie lange Zeit fast nur auf Champagner-Etiketten und ähnlichen Affichen 
ihr Dasein fristete, fängt sie nach 1850 an, der Wissenschaft unersättliche Dienste 
zu leisten. Durch Handkolorit, wie wir es auf den Karten der alten Zeit sehen, waren 
die einzelnen Gesteine und Formationen nicht so präzis auseinanderzuhalten wie 
durch Lithographiedruck. Man betrachte nur die Crednersche Deutschlandkarte 
im alten Berghaus. Der Koloristin merkt man es an, wie sie zu kämpfen hat, die zehn 
Farben schön unterschiedlich nebeneinander aufzutragen, geschweige erst bei der 
Biesengebirgskarte mit ihren fünfzehn Tönen, wo, wie wir oben sahen, noch fünfzehn 
Zahlen zu Hilfe genommen werden mußten. H. v. Dechens geognostische Über 
sichtskarte Deutschlands erschien handkoloriert 1888 in 8 Farben, in der zweiten Auf 
lage 1869 in 82 Farbstufen gedruckt. Die französischen und schweizerischen, später 
auch die englischen und deutschen Karten bringen es im geologischen Farbendruck 
zu ganz hervorragenden Leistungen, die uns heute noch Bewunderung abzwingen. 
1856 wurde des Belgiers André Du monts Carte géologique de la Belgique 
et des contrées voisines in der Imprimerie Impériale de France zu Paris mit 45 Farben- 
tafeln gedruckt. Der Druck der schweizerischen geologischen Karte bei Wurster, 
Bandegger & Co. gilt heute noch als ein Meisterstück 1 , das schwer seinesgleichen 
gefunden hat und erst im neuen Jahrhundert durch deutsche und nordamerikanische 
Kartenwerke übertroffen wird. 
In der dritten Periode gingen in jedem Lande die einzelnen geologischen Er 
zeugnisse brav nebeneinander her. Wenn es sich nicht gerade um Zusammenarbeitungen 
mehrerer Karten zu einer handelte, wie in der Crednerschen Deutschlandkarte, die 
sich hauptsächlich auf die geologischen Karten von L. v. Buch, Fr. Hoffmann, 
Chr. Keferstein und H. v. Dechen stützt, war von gemeinsamen Bichtlinien in der 
Bearbeitung geologischer Karten herzlich wenig zu spüren. Darin zeigt sich auch nicht 
ein Land als Ausnahme. In der sich anschließenden (mittlern) Periode, die wir bis 
zum Geologenkongreß von Bologna 1881 rechnen wollen, bemerken wir, daß innerhalb 
der drei Staaten, die für die geologische Forschung und Kartierung tonangebend sind, 
also innerhalb Frankreichs, Englands und Deutschlands besondere Bichtungen zu 
dominieren anfangen, die jedem der drei Staaten einen eigenen Charakter aufprägen. 
In Frankreich bildet sich die ästhetisch-tendenziöse, in England die 
realistische und in Deutschland die idealistische Biclitung aus. Aus der 
Fülle der Karten, die jetzt entsteht und immer größere Dimensionen annimmt, heben 
wir nur vereinzelte hervor, da es innerhalb des Kähmens meiner Erörterungen aus 
1 Vgl. Schweizer. Z. f. Artillerie u. Genie. Hg. v. F. C. Bluntschli. XXXIII. Frauenfeld 
1807, S. 44.
	        
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