Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

Zur Geschichte der Seekarte. 
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ziehung die Erstlinge. Sonst kennen die Rumbenkarten keine Seezeichen. Unbekannt 
ist ihnen die Angabe von Seetiefen, selbst auf solchen, die schon in die Zeit hinein 
reichen, wo man die Seetiefen kartographisch zu fixieren anfing. 
2. Die Seekarten von der Renaissance (bis znm Ende des 18. Jahrhunderts). 
Nachdem die Säulen des Herkules nicht mehr den Abschluß der mittelmeerischen 
Seefahrt bildeten und die Seefahrer des Mittelmeeres mit kühnem Wagemut atlantische 
Gestade Europas wie Afrikas zum Ziele ihrer Reisen setzten, war auch für die See 
karten der Übergang zu einer neuen Zeit gegeben. Unstreitig haben sie die Schale 
des Mittelalters mit zerbrechen helfen. Eine jahrhundertlange Erfahrung stand bei 
den außermediterranen Fahrten nicht zur Verfügung. Die große Weiträumigkeit 
des Atlantischen Ozeans schloß die Querfahrten, die für die Distanzschätzungen der 
Mittelmeerhäfen und -küsten so bedeutungsvoll waren, zunächst aus. Infolgedessen 
erkennen wir bei den Rumbenkarten, die größere exmediterrane Küstengebiete berück 
sichtigen, diese großenteils zu kurz gezeichnet. Offenbar war die sichere Schätzung 
von Entfernungen im atlantischen Fahrwasser sehr mangelhaft, da auch die Breiten 
bestimmungen noch mangelhaft waren, von Längenbestimmungen gar nicht zu reden. 
Das Mißverhältnis in der Küstenkonstruktion erklärt H. Wagner auf andere Weise, 
indem er darauf hinweist, daß die größere römische Seemeile gebraucht worden ist, 
die für die Streckenmessung an atlantischen Gestaden die ältere und kleinere griechische 
Seemeile, das alte Grundmaß der Rumbenkarten, vollständig ersetzt hatte. Auf der 
Karte wurden die neuen Maße den alten graphisch angepaßt, und die Verkürzung 
der Küstenstrecke war das sichtbare Ergebnis dieses Vorgangs. 
Da es so gut wie ausgeschlossen war, die Gestade durch Entfernungsschätzungen 
festzulegen, war man gezwungen, auf andere Mittel zu sinnen. Noch kannte man 
bis zur Renaissance keine Küstenvermessung. Diese erwuchs, soweit die Nachrichten 
vorliegen, an den atlantischen Gestaden Europas, und die Seevölker, die hier wohnten, 
nahmen die Seekartenkonstruktion in die Hand, nicht ohne große Beeinflussung der 
Rumbenkarten, wenigstens im äußern Habitus der Karten. Die Küstenvermessung 
ging zunächst ganz primitiv vor; die Küsten wurden nach der Natur gezeichnet, wobei 
der Kompaß sicher von großem Einfluß war. Die nötige Korrektur im Allgemeinbild 
wurde sodann durch die Breitenbestimmung wichtigerer Orte gegeben. 
Der neue Seekartentyp wurde im Norden geboren und führt uns an nordische 
Gestade, wenn auch hervorgehoben werden muß, daß die erste gedruckte See 
karte großen Stils, die Carta marina navigatoria aus dem Jahre 1516, und deren 
Reproduktion auf einen gelehrten, binnenländischen Kosmographen zurückführt. 1 
Wesentlich Anteil an dem neuen Typ haben die Holländer, denen sich Franzosen, 
Deutsche und Engländer anreihen. W. Behrmann hatte es sich zur Aufgabe gemacht, 
diese neue Seekartenart in seiner Dissertation ,,Über die niederdeutschen Seebücher 
des 15. und 16. Jahrhunderts“ 1 2 auf eine Anregung H. Wagners hin als etwas Selb 
ständiges und den alten Mittelmeerkarten gegenüber als etwas durchaus Eigentüm 
liches nachzuweisen. Behrmanns Untersuchungen haben in ein bisher in der Karten 
forschung vernachlässigtes Kapitel Klarheit und neues Licht gebracht. 
1 J. Fischer u. Fr. v. Wieser, s. Anm. 5, S. 6. 
2 W. Behrmann: Üb. d. niederdeutschen Seebücher des 15. u. 16. Jahrh. Diss. Göttingen 
1905. Als S.-A. der Mitt. d. Geogr. Ges. in Hamburg XXI. Hamburg 1906.
	        
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