Die geologischen Karten und Verwandte.
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An das englische koloristische Verfahren erinnern etwas die schwedischen geo
logischen Karten jener Zeit, unter andern die von 0. Tor eil und von Fr. Suenonius. 1
Ich sage nur „erinnern“, während hier auch der deutsche Einschlag bemerkbar ist,
noch mehr in der Benennung des Systems. Das deutsche Verfahren wird am besten
durch H. v. Dechen vertreten. Denken wir an seine Deutschlandkarte! Darauf
zieht sich eine weiße Decke über Norddeutschland; der Boden mit seinen Ungeheuern
Sandmengen zeigt vereinzelte Farbklexe, nämlich Sandstein- und Kalkinseln (bei
Rüdersdorf) und Steinsalzlager (bei Sperenberg und Staßfurt). Das Charakteristische
des Kartenaufbaues sehen wir erst im gebirgigen Teil der Karte. Da treten auch
die Unterschiede zur französischen Methode, wie wir sie oben im Pariser Becken
kennen gelernt haben, klar zutage. Längs der Donau ziehen sich gelbe Regionen
hin, die die Verbreitung des Lehmbodens zeigen, auf dem der Weizen und die Gerste
Bayerns so gut gedeihen. Das gelbe Juragestein umschließt als schilfgrüne Girlande
den gelben Kein. Um diese Gebilde legt sich in zartem, dreifach gestuftem Blau
die bunte Trias, Sandstein, Muschelkalk und Keuper herum, und schließlich folgt
als dritte Umwallung in abgestuftem Rosa die Granit- und Gneiswelle von den Alpen
an über Vogesen, Schwarz- und Odenwald zum Thüringerwald und Harz und zurück
wieder zu den Alpen über das gewaltige böhmische Granitviereck. Die Farben sind
zarter und durchsichtiger als auf den französischen Karten, dagegen wird deren Plastik
und Leuchtkraft nicht erreicht; ebenso ist die deutsche Farbengebung diskreter als
die englische. Deren Realismus ist wesentlich gemildert, nicht zum Nachteil der
Karte. Der deutsche Idealismus will nicht auf Kosten der Wahrheit einen großem
Effekt hervorbringen als die Natur bietet. Zwischen den glänzenden, ästhetisch-
tendenziösen französischen Karten und den derb realistischen englischen bewahren
die deutschen Karten eine wohltuende Mitte.
Das Bedeutendste hat H. v. Dechen in der 1855—1884 im Maßstab 1 : 80000
großzügig durchgeführten geologischen Aufnahme der Rheinprovinz und der Provinz
Westfalen geleistet. In Dechens Fahrwasser schwimmen die meisten deutschen Er
zeugnisse jener Zeit 1 2 , auch die Spezialkarten, von denen sich manche zu einer Höhe
erheben, die zu übertreffen heute noch Anstrengung kostet. Ich denke unter andern
an die Geologische Karte der Provinz Sachsen von Magdeburg bis zum Harz, die
von Julius Ewald aufgenommen worden ist. 3 Wie sorgfältig kartiert wird, beweist
das öftere Auftreten der „mutmaßlichen“ Formationsgrenze. Wo das Gestein erbohrt
ist, wird es durch besondere Signatur angezeigt. Tätige und erloschene Braunkohlen
gruben erhalten die bekannten bergmännischen Zeichen. Die Fallrichtung der Schichten
wird durch Pfeile veranschaulicht. Die Farben steigen vom zartesten Gelb für die
jüngsten Formationen über Grün, Blau, Lila zu Rot und Braun der Formationen
der paläozoischen Periode empor, wobei die einzelnen Schichten noch mit den kleinen
1 ln den letzten beiden Dezennien des vergangenen Jahrhunderts erschienen verschiedene
Karten von Fr. Suenonius und von O. Toreil. Dieser gab auch mit J. 0. Kjellström heraus:
Karta öfver Sverige, Norge, Danmark och Finland. Stockholm 1888.
2 Und wo sie in der Farbenwahl eine selbständige Stellung einnehmen, wie z. B. auf der 1866
in Weimar (Geograph. Institut) erschienenen geolog. Karte Deutschlands von Rud. Ludwig, bleibt
die Farbengebung diskret.
3 J. Ewald: Geolog. Karte der Provinz Sachsen von Magdeburg bis zum Harz (als Teil der
geolog. Karte der Provinz). Im Aufträge des Kgl. Preuß. Ministeriums f. Handel, Gewerbe u. öffentl.
Arbeiten unter Zugrundelegung der topograph. Karten des Kgl. Generalstabs. 4 Bl. in 1 : 100000
Berlin 1864.
Eckert, Karten Wissenschaft. II. U